Sozialwidrigkeit bedeutet nicht Rechtswidrigkeit/GlBG verdrängt ABGB

Österreich

Der OGH hat in einem jüngst ergangenen Urteil (8 ObA 76/12b vom 24.1.2013) zur Frage, inwiefern ein allgemeiner Schadenersatzanspruch aufgrund einer sozialwidrigen Kündigung nach § 105 Abs 3 Z 2 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) besteht sowie zur Frage, ob neben den Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes (GlBG) wegen einer behaupteten diskriminierenden Maßnahme des Dienstgebers ein allgemeiner Schadenersatzanspruch geltend gemacht werden kann, Stellung genommen. Die Klägerin hat im Ausgangsfall die Feststellung begehrt, dass der Dienstgeber für alle aus der Kündigung resultierenden Schäden, die ihr durch die Im Hinblick auf frühere Antragstellung geringere ASVG-Pension entstünden, zu haften habe.

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurde zum 31.1.2009 gekündigt. Die Kündigung wurde in einem Vorverfahren bereits wegen Sozialwidrigkeit erfolgreich von der Klägerin angefochten. Angesichts des ungewissen Ausgangs des Anfechtungsverfahrens hat die Klägerin aber bereits die Gewährung der Alterspension beantragt, die sie am 1.2.2009 antrat. Im Fall des Antritts der ASVG-Alterspension um ein Jahr später (am 1.2.2010) wäre die ASVG-Alterspension der Klägerin höher gewesen. Aus diesem Grund hat sie die Klage auf Feststellung der Haftung des Dienstgebers eingebracht. Sie hat ihren Schadenersatzanspruch dabei zum einen auf den Verstoß des Dienstgebers gegen die ihn treffend soziale Gestaltungspflicht bei einer Kündigung aus betrieblichen Gründen gestützt, zum andere hat sie eine Diskriminierung aufgrund des Alters und des Geschlechts geltend gemacht und daraus eine Anspruch nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen – also nicht nach dem GlBG – abgeleitet.

Der OGH hat zum ersten Punkt ausgeführt, dass die rechtliche Konsequenz eines Verstoßes gegen die soziale Gestaltungspflicht des Dienstgebers aufgrund der besonderen gesetzlichen Anordnungen in § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG in der Anfechtbarkeit der Kündigung mit der Wirkung besteht, dass die Auflösungserklärung durch gerichtliche Rechtsgestaltung ex tunc für unwirksam erklärt wird. Mit der Herstellung des rechtmäßigen Zustands – dem aufrechten Arbeitsverhältnis – wird dem Erfüllungsanspruch des Dienstnehmers Rechnung getragen. Das Höchstgericht betont, dass § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG kein Ausdruck der Fürsorgepflicht ist, sondern dass der allgemeine Kündigungsschutz als personelles Mitwirkungsbefugnis der Belegschaft konzipiert ist. Das Anfechtungsrecht der Belegschaft wegen Sozialwidrigkeit der Kündigung ist daher von der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zu unterscheiden. Angesichts des an sich grundsätzlich freien Kündigungsrechts (ausgenommen besonderer Bestandschutz) ist eine Kündigung des Dienstgebers im Allgemeinen (bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit) nicht rechtswidrig. Der OGH kommt daher zum Ergebnis, dass die Möglichkeit für den Arbeitnehmer, bei Verletzung der sozialen Gestaltungspflicht durch den Dienstgeber iSd § 105 Abs 3 Z 2 lit b ArbVG die Kündigungserklärung durch Rechtsgestaltungsurteil beseitigen zu lassen, einen angemessenen Interessenausgleich darstellt. Da eine Sozialwidrigkeit iSd § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG nicht mit einer Rechtswidrigkeit iSd § 1295 ABGB gleichzusetzen ist, hat des Höchstgericht den Schadenersatzanspruch der Klägerin verneint.

Zum zweiten Punkt führt der OGH aus, dass die Bestimmungen des GlBG zu den allgemeinen schadenersatzrechtlichen Vorschriften des ABGB im Derogationsverhältnis stehen. Das „jüngere“ und speziellere GlBG, das die Bestimmungen zum Ausgleich von Beeinträchtigungen aufgrund von Diskriminierungen in seinem Anwendungsbereich abschließend regelt, verdrängt daher die allgemeinen Schadenersatzbestimmungen des ABGB. Dies gilt auch für § 15 GlBG (Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen), der als lex specialis die allgemeinen Verjährungsvorschriften des ABGB verdrängt.

Conclusio:

  • Die Sozialwidrigkeit einer Kündigung begründet für sich genommen keine Rechtswidrigkeit, die einen Schadenersatzanspruch auslösen könnte.
  • Ein Schadenersatzanspruch wegen eines behaupteten Verstoßes gegen die Diskriminierungsverbote des GlBG kann nicht auf die allgemeinen schadenersatzrechtlichen Regelungen nach dem ABGB gestützt werden.