Kürzlich hat die Wirtschaftskammer Österreich neue Schiedsregeln für das Internationale Schiedsgericht der Wirtschaftskammer Österreich (zu Neudeutsch „VIAC“: Vienna International Arbitral Center) erlassen, die sie in Zusammenarbeit mit einer Expertengruppe und Mitgliedern des Präsidiums und des Generalsekretariats erarbeitet. Die neuen Schiedsregeln tragen den internationalen Entwicklungen im Schiedsrecht Rechnung, behalten aber Klarheit und Flexibilität bei.
Mit 1. Juli 2013 ist diese Neufassung der Schiedsordnung der VIAC („Wiener Regeln 2013“) in Kraft getreten. Sie findet auf alle nach dem 30.6.2013 eingeleitete Schiedsverfahren bei der VIAC Anwendung. Wir wollen einige wesentliche Neuerungen im Folgenden darstellen:
1. Einführung von „Verfahrensbeschleunigern“
1.1. Beschleunigtes Verfahren (Art 45)
Neu eingeführt wurde das sogenannte beschleunigte Verfahren, welches etwa durch die Verkürzung der Fristen (zur Schiedsrichterbenennung und für den Erlag des Kostenvorschuss), durch die Beschränkung der Anzahl von Schriftsätzen sowie durch die Festlegung einer Entscheidungsfrist von 6 Monaten, eine straffe und effiziente Verfahrensführung ermöglicht.
Den Parteien des Schiedsverfahrens steht es nun offen, ein derartiges beschleunigtes Verfahren bereits in der Schiedsvereinbarung oder auch nachträglich bis zur Einreichung der Klagebeantwortung zu vereinbaren („Opt-In“ Regelung - Art 45).
1.2. Enthebung des Schiedsrichters bei Untätigkeit (Art 21 Abs 2)
Das Präsidium der VIAC kann Schiedsrichter nunmehr auch von Amts wegen ihres Amtes entheben, wenn offensichtlich ist, dass der Schiedsrichter nicht nur vorübergehend verhindert ist oder er seiner Aufgabe nicht nachkommt.
1.3. Bekanntgabe, wann der Schiedsspruchs erlassen wird (Art 32)
Nachdem das Schiedsgericht das Verfahren geschlossen hat, ist es nun verpflichtet, den Parteien und dem Generalsekretär der VIAC mitzuteilen, wann der Schiedsspruch voraussichtlich erlassen wird.
2. Bestellung des Schiedsrichter erst durch Bestätigung (Art 16, 17 und 19)
Neu ist, dass der Schiedsrichter nicht schon durch seine bloße Benennung durch die Partei(en), sondern erst auf Grund der Bestätigung seiner Benennung durch den Generalsekretär bzw. – soweit es der Generalsekretär für erforderlich hält – durch das Präsidium der VIAC bestellt wird.
Durch die Neuregelung ist nunmehr sichergestellt, dass nur derjenige zum Schiedsrichter bestellt werden, der sich zuvor den Wiener Regeln 2013 (samt Honorarbestimmungen) unterwirft und aus Sicht der VIAC unabhängig und unparteilich ist bzw. scheint: Die Bestätigung der Benennung des Schiedsrichters setzt nämlich zum einen entsprechende Erklärungen über die Annahme des Amtes, die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit, die Verfügbarkeit und die Unterwerfung unter die Wiener Regelungen des in Aussicht genommenen Schiedsrichters voraus, zum anderen auch die Überzeugung des Generalsekretärs bzw. des Präsidiums der VIAC von der Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und ordnungsgemäßen Amtserfüllung des Schiedsrichters.
3. Einbeziehung von „Drittpersonen“ in das Verfahren (Art 14)
Jetzt können in jeder Lage des Schiedsverfahrens sogenannte „Drittpersonen“ ins Schiedsverfahren einbezogen werden. Die Einbeziehung der Drittperson erfolgt grundsätzlich auf Antrag der Parteien oder der Drittperson selbst, ist aber auch mit Schiedsklage möglich.
Ob und in welcher Art (etwa als Streitgenosse, Nebenintervenient, Beweisgehilfe uä.) die Drittperson dann am Schiedsverfahren teilnimmt, entscheidet das Schiedsgericht (nach Anhörung aller Beteiligten). Dem Schiedsgericht soll es nunmehr auch möglich sein folgende Teilnahmeart der Drittperson zu bestimmen: (a) Teilnahme nur an bestimmten Verfahrensabschnitten des Schiedsverfahrens und (b) Teilnahme am Schiedsverfahren, ohne dass der Schiedsspruch Rechtskraftwirkung für die Drittperson entfaltet (etwa, wenn die Drittperson keiner Schiedsvereinbarung unterliegt).
Wurde die Einbeziehung der Drittperson mit Schiedsklage beantragt, kann diese an der Schiedsrichterbestellung mitwirken, sofern bisher noch kein Schiedsrichter bestellt wurde. Wurden die Schiedsrichter bereits bestellt, kann das konstituierte Schiedsgericht die Schiedsklage an das Sekretariat der VIAC zur Behandlung in einem gesonderten Verfahren zurückstellen.
4. Vereinfachte Verbindung von Schiedsverfahren (Art 15)
Die Verbindung mehrerer Schiedsverfahren ist wesentlich vereinfacht worden: Es genügt, dass (a) der Schiedsort in sämtlichen Verfahren derselbe ist und (b) dass alle Parteien der Verbindung der Schiedsverfahren zustimmen oder in den zu verbindenden Verfahren dieselben Schiedsrichter benannt bzw bestellt sind.
5. Mehrparteienverfahren neu (Art 18)
Die neuen Wiener Regeln 2013 normieren keine Zulässigkeitsvoraussetzungen zur Durchführung eines Mehrparteienverfahrens.
Hat ein Schiedsrichtersenat zu entscheiden und ist eine „Parteiengruppe“ (zB mehrere Kläger, mehrere Beklagte) mit der Benennung „ihres“ Schiedsrichters säumig, so bestellt das Präsidium einen Schiedsrichter. Nur in Ausnahmefällen steht dem Präsidium der VIAC das Recht zu, nach Anhörung der Parteien bereits erfolgte Schiedsrichterbestellungen zu widerrufen und alle Schiedsrichter neu zu bestellen.
6. Neuregelung der Kosten und Gebühren
6.1. Einschreibgebühren (Art 10)
Neu ist, dass die – betraglich von bisher € 2.000,- auf € 1.500,- reduzierte – Einschreibgebühr nicht mehr auf den Kostenvorschuss angerechnet wird.
Die Einschreibgebühr erhöht sich nunmehr in einem Mehrparteiverfahren nur um maximal 50%.
Neu ist auch, dass die Klage erst nach vollständiger Bezahlung der Einschreibgebühr an die andere Partei zugestellt wird.
6.2. Kostenvorschüsse (Art 42)
Ist eine Partei mit dem Kostenerlag säumig und wird dieser dann durch die andere Partei erlegt, wird dem Schiedsgericht nun die Möglichkeit eingeräumt, der säumigen Partei den Ersatz des für sie geleisteten Kostenvorschusses aufzutragen. Diese Entscheidung über die Ersatzleistung kann das Schiedsgericht entweder im Schiedsspruch oder in einer anderen Entscheidungsform erlassen.
Nach der Neuregelung sind für die Widerklage, die Einbeziehung einer Drittperson mit Schiedsklage und für Gegenforderungen (soweit durch die Behandlung der aufrechnungsweise eingewendeten Gegenforderung ein erheblicher Mehraufwand zu erwarten ist) gesonderte Kostenvorschüsse zu erlegen.
6.3. Schiedsrichterhonorare Art 44
Die Neuregelung sieht vor, dass die Erhöhung des Schiedsrichterhonorars aufgrund der Durchführung eines Mehrparteiverfahrens mit einer Erhöhung um maximal 50% gedeckelt ist.
Bei besonderer Komplexität des Falles kann der Honorarsatz für Schiedsrichter bis zu 30% erhöht werden. Dies gilt nunmehr sowohl für Einzelschiedsrichter als auch für Schiedsrichtersenate (die frühere Regelung sah nur eine Erhöhung bei Schiedsrichtersenaten vor). Bei vorzeitiger Verfahrensbeendigung kann der Generalsekretär die Schiedsrichterhonorare nun auch nach billigem Ermessen kürzen.
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