Kein Kündigungsschutz für konzerninternen Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft

Österreich

Mit einer interessanten, in der Praxis immer wieder vorkommenden Konstellation bei der Übernahme von Organfunktionen innerhalb eines Konzerns hatte sich kürzlich der OGH zu beschäftigen. Konkret ging es um die Kündigung des Dienstverhältnisses eines Arbeitnehmers, der bei der Muttergesellschaft beschäftigt und zur Ausübung von Geschäftsführungsfunktionen in eine Tochtergesellschaft entsandt wurde. Die Kündigung des Dienstverhältnisses bei der Muttergesellschaft wurde vom Dienstnehmer mit der Begründung angefochten, dass er bei der Muttergesellschaft weder eine Organfunktion ausübe, noch leitender Angestellter sei und daher der allgemeine Kündigungsschutz gemäß § 105 ArbVG dort für ihn gelte. Der OGH sah dies jedoch anders.

Der OGH (24.7.2013, 9 Ob A 79/13b) sprach aus, dass es gerade bei Konzerngesellschaften für die Frage der Anwendung des Ausschlusses des allgemeinen Kündigungsschutzes eine Gesamtbetrachtung aller arbeitsvertraglich übernommenen Verpflichtungen zur Beurteilung der Rechtsstellung geboten ist. Daraus folgerte der OGH im gegenständlichen Fall, dass aufgrund der vertraglichen Kompetenzen des Dienstnehmers bei der Tochtergesellschaft ihm die tatsächlichen Betriebsführungsbefugnisse der Tochtergesellschaft oblagen und diese Rechtsstellung bei der Tochtergesellschaft daher auch für die Beurteilung der Frage der Anwendung des allgemeinen Kündigungsschutzes bei der Muttergesellschaft Rückwirkung erzeuge. Die Betriebsführungsbefugnis bei der Tochtergesellschaft strahle daher auch auf die Rechtsposition bei der Muttergesellschaft derart aus, dass auch dort der Ausnahmetatbestand des § 36 Abs 2 ArbVG anwendbar sei und der allgemeine Kündigungsschutz des § 105 ArbVG daher laut OGH auf diesen Dienstnehmer bei der Beendigung des Dienstverhältnisses zur Muttergesellschaft nicht anzuwenden war.

Im Detail:

§ 36 Abs 2 ArbVG bestimmt, dass bestimmte Personen, die im Wesentlichen Dienstgeberfunktionen ausüben, nicht unter den Anwendungsbereich des II. Abschnittes des Arbeitsverfassungsgesetzes fallen. Dieser II. Abschnitt enthält so wichtige Bestimmungen, wie Rechte und Pflichten des Betriebsrates, Versetzungsschutz oder eben auch den Allgemeinen Kündigungsschutz gemäß § 105 ArbVG. Als Personen mit Dienstgeberfunktion sieht § 36 Abs 2 ArbVG einerseits die Organe von juristischen Personen (zB Vorstand, Geschäftsführer), darüber hinaus aber auch leitende Angestellte, denen ein maßgeblicher Einfluss auf die Führung des Betriebes zusteht, an. Abgestellt wird im Wesentlichen bei der Prüfung der Maßgeblichkeit des Einflusses auf die Betriebsführung auf die Personalkompetenz. Von besonderer Bedeutung in diesem Zusammenhang ist wiederum die Frage, ob der leitende Angestellte die Kompetenz besitzt, Dienstverhältnisse selbständig zu begründen oder aufzulösen. Im gegenständlichen Fall war der Dienstnehmer bei der Muttergesellschaft angestellt. Dort war er unstrittig weder Organmitglied, noch hatte er bei der Muttergesellschaft Dienstgeberkompetenzen. Es war mit ihm jedoch vertraglich die Entsendung in Tochtergesellschaften zum Zwecke der Ausübung von Organfunktionen vereinbart. Tatsächlich übte der Dienstnehmer auch eine derartige Organfunktion bei einer Tochtergesellschaft aus, ohne ein gesondertes Anstellungsverhältnis zu begründen. Das Anstellungsverhältnis blieb vielmehr nach wie vor ausschließlich zur Muttergesellschaft, von der er auch sein gesamtes Gehalt bezog.

Fraglich war nunmehr, ob diese Organfunktion bei der Tochtergesellschaft auch auf den Status bei der Muttergesellschaft ausstrahle. In einer früheren Entscheidung (OGH vom 22.2.2006, 9 Ob A 49/05d) hatte der OGH dies mit der Begründung verneint, dass in diesem Fall die Organfunktion bei der Tochtergesellschaft praktisch nur eine formale Hülle war, ohne dass dem betreffenden Dienstnehmer bei der Tochtergesellschaft tatsächliche Betriebsführungskompetenzen zukamen. Im nunmehr vom OGH entschiedenen Fall, lag der Sachverhalt jedoch insoweit anders, als der betreffende Dienstnehmer tatsächlich als Geschäftsführer der Tochtergesellschaft den Betrieb der Tochtergesellschaft führte. Er übte daher dort auch die Dienstgeberfunktion gegenüber den Mitarbeitern der Tochtergesellschaft tatsächlich aus. Insgesamt gelangte der OGH daher zum Ergebnis, dass bei einer derartigen Konstellation nicht formal zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft zu trennen, sondern eine konzernweite Gesamtbetrachtung vorzunehmen sei. Die Organfunktion bei der Tochtergesellschaft, die auch tatsächlich ausgeübt wurde, schlägt daher auf das Dienstverhältnis zur Muttergesellschaft zurück und führt dazu, dass der Dienstnehmer hinsichtlich seines Dienstverhältnisses zur Muttergesellschaft vom Anwendungsbereich des II. Abschnittes des ArbVG ausgenommen ist die und daher nicht dem allgemeinen Kündigungsschutz unterlag.

Die die formalen Grenzen der Gesellschaftszugehörigkeit auflösende, konzernweite Betrachtung und Beurteilung von Sachverhalten durch den OGH liegt durchaus im Trend seiner Rechtsprechung. So hat der OGH auch judiziert, dass im Falle einer vertraglichen Verpflichtung, seine Dienstleistung nicht nur bei der Muttergesellschaft sondern auch in anderen Konzerngesellschaften auszuüben, im Gegenzug bei der Prüfung der Frage, ob alternative Arbeitsplätze für eine Beschäftigung des Dienstnehmers vorliegen, nicht bloß auf die arbeitsvertragliche Dienstgebergesellschaft, sondern eben auch auf alle Konzerngesellschaften, in denen der Dienstnehmer verpflichtet ist, seine Dienstleistungen gegebenenfalls zu erbringen, abzustellen sei (OGH vom 29.6.2009, 9 Ob A 34/08b). In gleicher Weise hat mit der nunmehrigen Entscheidung der OGH auch bei der Frage der Leitenden Angestellteneigenschaft eine konzernweite Betrachtung angewendet. Es bleibt zu beobachten, ob sich dieser Trend auch bei anderen Bereichen (zB Reichweite einer Konkurrenzklausel) fortsetzt.