Die Möglichkeiten des russischen Staates gegen in Russland tätige ausländische Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und möglicherweise auch private Unternehmen einzugreifen wurden durch die russische Staatsduma ausgeweitet. Am 3. Juni 2015 traten in Russland neue gesetzliche Regelungen in Kraft, nach denen ausländische und internationale NGOs durch die russische Staatsanwaltschaft für „unerwünscht“ erklärt werden können. Die Einstufung als „unerwünscht“ soll erfolgen, sofern nach Ansicht der Staatsanwaltschaft die Tätigkeit einer Organisation die verfassungsmäßige Ordnung, die nationale Sicherheit oder die Verteidigungsfähigkeit der Russischen Föderation gefährdet.
Die Folgen einer solchen Einstufung sind gravierend. „Unerwünschte Organisationen“ werden in Russland verboten und deren russische Einheiten aufgelöst. Alle Tätigkeiten und Projekte werden gestoppt und Bankkonten eingefroren. Banken und Kreditinstitute dürfen keine Zahlungsaufträge der betroffenen NGOs mehr ausführen, jegliche Zahlungseingänge müssen zudem der Föderalen Behörde für Finanzüberwachung gemeldet werden. Vorgesehen ist zudem, dass Massenmedien nicht mehr über „unerwünschte Organisationen“ informieren dürfen. Diesen selbst ist es auch verboten, jegliche Informationen über das Internet zu verbreiten.
Gefährdet sind zudem auch alle Dritten, die in die Aktivitäten einer als „unerwünscht“ eingestuften Organisation involviert sind. Diesen drohen hohe Geldstrafen, im Falle von natürlichen Personen Einreiseverbote und in Extremfällen bis zu sechs Jahre Haft. Dabei kann allein die Erbringung von Dienstleistungen oder eine Geldspende an eine „unerwünschte Organisation“ als untersagte Zusammenarbeit verstanden werden.
Die Beurteilung, ob eine Organisation als „unerwünscht“ eingestuft wird, obliegt allein der Staatsanwaltschaft. Diese muss lediglich die Zustimmung des Außenministeriums einholen. Eine gerichtliche Überprüfung im Vorfeld der Entscheidung findet nicht statt. Nach der Entscheidung der Staatswirtschaft wird die „unerwünschte Organisation“ in eine vom Justizministerium geführte Liste eingetragen und auf der offiziellen Website veröffentlicht. Nach einer solchen Publizierung gilt die Gesellschaft als in Russland verboten.
Erhebliche rechtliche Unsicherheit bringt der sehr vage und breit gefasste Wortlaut der neuen Vorschriften mit sich. Unmittelbar richtet sich das Gesetz zwar nur gegen ausländische Nichtregierungsorganisationen. Anhand der offenen Formulierung ist jedoch nicht auszuschließen, dass auch ausländische Unternehmen sowie deren Niederlassungen und Tochtergesellschaften in Russland erfasst werden. Unklar ist zudem, was unter dem Begriff der Gefährdung der geschützten staatlichen Interessen verstanden wird. Vorgeschlagen wurde, dass allein die Infragestellung des rechtlichen Status der Krim als Teil der russischen Föderation die Anwendung des neuen Gesetzes auslösen könnte.
Auf internationaler Ebene hat das neue Gesetz bereits für viel Kritik gesorgt. Es ist davon auszugehen, dass insbesondere politisch aktive und durch ausländische Gelder finanzierte NGOs ins Visier der russischen Staatsanwälte genommen werden. Es besteht zudem die Gefahr, dass die weite Auslegung des umstrittenen Gesetzes dazu führt, dass auch gegen in Russland ansässige ausländische Unternehmen vorgegangen wird. Diese müssen künftig ihre Kooperation mit ausländischen NGOs sehr vorsichtig gestalten.
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