Bankenvollstreckungstitel nach polnischem Bankenrecht

Polen

Bankenprivileg

Das polnische Bankenrecht enthält eine Regelung, wonach die Banken berechtigt sind, auf der Grundlage ihrer Bücher oder anderer Urkunden, die im Zusammenhang mit der Ausübung von Bankgeschäften stehen, einen Vollstreckungstitel auszustellen. Nach der Einholung einer Vollstreckungsklausel beim Gericht können die Banken dann direkt ein Vollstreckungsverfahren gegen den Schuldner einleiten. Der Schuldner selbst hat dabei eine schriftliche Erklärung über die sofortige Zwangsvollstreckungsunterwerfung abzugeben, dies ist die übliche Praxis bei den meisten Bankgeschäften. Die Vollstreckungsklausel hat das Gericht innerhalb von drei Tagen zu erteilen.

Um die Möglichkeit einer vergleichbaren rechtlichen Vorgehensweise zu erlangen, muss ein Gläubiger, der keine Bank ist, die Erklärung über die sofortige Vollstreckungsunterwerfung in Form einer notariellen Urkunde vom Schuldner erhalten.

Gleichbehandlungsgrundrecht

Diese Rechtsvorschriften waren umstritten. Insbesondere war fraglich, ob das Bankenprivileg bezüglich der Ausstellung von Vollstreckungstiteln durch die Banken mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz der polnischen Verfassung vereinbar ist. Man hat insbesondere darauf hingewiesen, dass die Einleitung der Vollstreckung gegen den Schuldner keiner richterlichen Kontrolle unterliege, weil im Rahmen der Ausstellung der Vollstreckungsklausel lediglich formelle Aspekte geprüft werden. Ferner wurde betont, dass die Banken im Vergleich zu sonstigen Gläubigern privilegiert seien.

Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes

In der Entscheidung vom 14. April 2015 hat der polnische Verfassungsgerichtshof nun entschieden, dass ein solches Bankenprivileg gegen den im Grundgesetz verankerten Gleichbehandlungsgrundsatz in dreierlei Hinsicht verstößt:

  1. im Verhältnis zwischen der Bank und ihrem Kunden,
  2. im Verhältnis zwischen der Bank und anderen Gläubigern,
  3. im Verhältnis zwischen dem Schuldner einer Bank und dem Schuldner anderer Rechtsträger.

Der Verfassungsgerichtshof hat betont, dass zwischen der Bank und ihrem Kunden eine Gesamteigenschaft im Rahmen des zwischen ihnen begründeten Schuldverhältnisses entsteht. Für dieses Schuldverhältnis sollen – laut Verfassungsgerichtshof – wie in anderen Schuldverhältnissen die Grundregeln, wie beispielsweise die (formelle) Gleichheit der Parteien eines Schuldverhältnisses, gelten. Im Falle des Bankenprivilegs kann die Bank den Vollstreckungstitel selbst erstellen, der die Gerichtsentscheidung ersetzt. Der Kunde darf sich gegen den Bankenvollstreckungstitel ausschließlich mit Hilfe der Vollstreckungsabwehrklage wehren, nachdem die Vollstreckung bereits eingeleitet wurde. Dies ist – laut Verfassungsgericht – mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar.

Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs führt ein solches Bankenprivileg auch zur verfassungswidrigen Benachteiligung der Drittgläubiger der Bankkunden. Diese Drittgläubiger werden, verglichen mit den Banken, benachteiligt, wenn auch eine Bank die Vollstreckung in das Vermögen des Schuldners durchführt. Die Bank kann die Vollstreckung aufgrund des Bankenprivilegs schneller als die Drittgläubiger einleiten und ihre Forderungen befriedigen. Sogar die Vollstreckungsklausel wird den Banken aufgrund des Bankengesetzes durch das Gericht schneller (innerhalb von drei Tagen) erteilt als anderen Gläubigern.

Dieses Bankenprivileg entfällt endgültig ab dem 1. August 2016. Bis dahin ist der Gesetzgeber verpflichtet, das Urteil des Verfassungsgerichts entsprechend umzusetzen. Wie es sich aber gezeigt hat, wirkt sich das Urteil schon vor dem 1. August 2016 sowohl auf die Entscheidungspraxis der Gerichte als auch auf die Stimmen in der Literatur aus. Denn ab dem Urteilsspruch erteilen viele Gerichte eine Vollstreckungsklausel zugunsten der Banken aufgrund der verfassungswidrigen Vorschriften nur zögerlich. Gleichzeitig werden derartige Bedenken in der Literatur bestätigt.

Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs wurde in der Literatur ausführlich und heftig kommentiert. Es wurde einerseits darauf hingewiesen, dass die Entscheidung zu höheren Kosten im Zusammenhang mit der Vergabe von Krediten führen wird. Die Banken werden anstelle des Bankenvollstreckungstitels insbesondere bei der Ausstellung von Wechseln in blanko oder bei der Abgabe von Erklärungen der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung eine notarielle Form verlangen, was in beiden Fällen mit höheren Kosten für den Kreditnehmer verbunden ist. Auf der anderen Seite sind die verfassungsrechtliche Argumentation gegen das Bankenprivileg und die Schwere der vorgetragenen Argumente nicht zu verkennen. Daher ist diese Entscheidung des Verfassungsgerichts als wesentliche richterliche Auslegung des Gleichheitsgrundsatzes anzuerkennen. Man darf sie auch als einen wesentlichen Schritt auf dem Weg zur Verstärkung des Vertrauensschutzes und der Gleichbehandlung sehen.