Das russische Gesetz über „Deoffshorisierung“ kann westliche Investoren betreffen

Russland

Im Zuge der Bemühungen des russischen Staates um Rückführung von russischem Kapital aus dem Ausland trat am 1. Januar 2015 das sogenannte „Gesetz über Deoffshorisierung“ in Kraft. Die neuen Regelungen sind eigentlich an russische Steuerpflichtige mit Auslandsaktivitäten in Niedrigsteuerländern adressiert und sollen den Vermögensabfluss ins Ausland eindämmen. In bestimmten Konstellationen können aber auch westliche Investoren davon betroffen sein.

Einleitung

Paradoxerweise kommen die meisten ausländischen Direktinvestitionen nach Russland – auf dem Umweg über Länder wie die Schweiz oder Zypern – aus Russland selbst. Die von einheimischen Investoren praktizierte aggressive Steueroptimierung durch Offshoring ist dem russischen Staat in Zeiten wirtschaftlicher Krise mehr denn je ein Dorn im Auge. Präsident Putin und die russische Regierung bemühen sich daher stark um die Rückführung von russischem Kapital aus dem Ausland. In diesem Zuge trat am 1. Januar 2015 das föderale Gesetz Nr. 376-FZ „Über die Gewinnbesteuerung von kontrollierten ausländischen Unternehmen und andere Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuervermeidung“, das sogenannte „Gesetz über Deoffshorisierung“ (im Folgenden: Gesetz), in Kraft. Kernstück des Gesetzes bilden die Regelungen über die Hinzurechnungsbesteuerung, d. h. Besteuerung kontrollierter ausländischer Unternehmen, auch bekannt unter der englischen Abkürzung „CFC“ für „Controlled Foreign Corporations“.

In diesem Beitrag erfahren Sie, (I.) in welchen Fällen die Regelungen über kontrollierte ausländische Unternehmen Anwendung finden, (II.) welche Verpflichtungen vorgesehen sind, (III.) welche Konsequenzen dies für westliche Investoren haben kann und (IV.) welche Maßnahmen zu treffen sind.

Anwendungsbereich

Das Gesetz richtet sich an alle in der Russischen Föderation steuerpflichtigen Personen und Organisationen (im Folgenden: Steuerpflichtige), die ein ausländisches Unternehmen oder eine sonstige ausländische Organisation kontrollieren. Eine ausländische Organisation wird in diesem Sinne kontrolliert, wenn

  • ein in der Russischen Föderation Steuerpflichtiger mit mindestens 25 % an ihr beteiligt ist oder
  • mehrere in der Russischen Föderation Steuerpflichtige mit je mindestens 10 % an ihr beteiligt sind und dabei insgesamt mehr als 50 % der Anteile an dieser ausländischen Organisation halten.

Bei der Berechnung der Höhe des Anteils des Steuerpflichtigen werden die Anteile der Ehegatten und minderjähriger Kinder mitberücksichtigt. Unter bestimmten Voraussetzungen kann auch nur eine faktische Kontrolle ohne formale Beteiligung zur Annahme eines kontrollierten ausländischen Unternehmens führen.
Von dem Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen sind insbesondere folgende Fälle:

  • nichtkommerzielle, d. h. nicht auf Gewinnerzielung gerichtete ausländische Organisationen;
  • in der Eurasischen Wirtschaftsunion gegründete Organisationen;
  • ausländische Organisationen mit ständigem Sitz in einem Staat,
    • mit dem die Russische Föderation ein Doppelbesteuerungsabkommen unterzeichnet hat,
    • der einen entsprechenden Informationsaustausch mit Russland gewährleistet und
    • in dem der Effektivsteuersatz bei der Unternehmensbesteuerung mindestens 75 % des in der Russischen Föderation geltenden durchschnittlichen Unternehmenssteuersatzes beträgt; oder
  • ausländische Organisationen mit ständigem Sitz in einem Staat,
    • mit dem die Russische Föderation ein Doppelbesteuerungsabkommen unterzeichnet hat,
    • der einen entsprechenden Informationsaustausch mit Russland gewährleistet und
    • der Anteil des passiven Gewinns (Fußnote 1) am gesamten Gewinn dieser ausländischen Organisation übersteigt nicht 20%.

Welche Staaten den Informationsaustausch mit Russland zwecks Besteuerung verweigern, wird gesondert durch die föderale Steuerbehörde festgelegt. Eine entsprechende Liste ist bisher nicht veröffentlicht worden.

Ob in einem konkreten Fall das Gesetz Anwendung findet, kann mit diesem vereinfachten Schnelltest festgestellt werden.

Inhalt der gesetzlichen Regelungen

Schon das Halten von Anteilen (gleich welcher Höhe) an einem ausländischen Unternehmen verpflichtet die russischen Steuerpflichtigen, die zuständige russische Steuerbehörde über die Höhe der Beteiligung zu benachrichtigen. Sind die sonstigen Anwendungsvoraussetzungen erfüllt, so verpflichtet das Gesetz russische Steuerpflichtige, die eine ausländische Organisation kontrollieren,

  • die russischen Steuerbehörden über die Kontrolle ausländischer Unternehmen sowie über sämtliche sonstige Beteiligungen an ausländischen Organisationen von über 10 % jährlich zu benachrichtigen und
  • Einkommenssteuer auf den nicht ausgeschütteten Gewinn der kontrollierten ausländischen Organisation zu zahlen.

Wenn das kontrollierte ausländische Unternehmen seinen Sitz in einem Staat mit einem Doppelbesteuerungsabkommen mit Russland hat, erfolgt die Gewinnermittlung auf Grundlage der nach den ausländischen Regeln erstellten Bilanz, sonst nach den in der Russischen Föderation geltenden Regeln.

Übersteigt der Gewinn RUB 10 Mio. (Fußnote 2) pro Jahr, so wird er bei der Einkommenssteuer der russischen Steuerpflichtigen berücksichtigt.

Bei Verstößen gegen die Benachrichtigungs- und/oder Steuerzahlungspflicht drohen empfindliche Geldstrafen. Bis zum 1. Januar 2016 gelten allerdings gewisse Übergangsregelungen.

Bedeutung für westliche Investoren

Westliche Investoren könnten von dem Gesetz betroffen sein, wenn ihre Investitionen in Russland mit russischer Beteiligung erfolgen. Die Strukturierung eines Joint Ventures (JV) mit russischen Geschäftspartnern über eine ausländische Holdinggesellschaft ist gängige Praxis. Dies geschieht oft nicht (nur) aus steuerlichen Gründen. So ist z. B. die Rechtslage hinsichtlich der Wirksamkeit von Gesellschaftervereinbarungen in Russland immer noch unsicher, sodass es sich anbietet, die JV-Gesellschaft im Ausland zu gründen und die Gesellschafterbeziehungen flexibler zu regeln. Da der russische Partner üblicherweise mit mehr als 25 % an dem JV beteiligt sein soll, wird die ausländische JV-Gesellschaft aus russischer Sicht zu einem kontrollierten ausländischen Unternehmen.

Nach derzeitiger Gesetzeslage kann die Auslandsholding eines JV-Projekts aber weiterhin in den meisten EU-Staaten und auch in Deutschland gegründet werden, ohne dass das Gesetz Anwendung findet, da die Schwelle zum Niedrigsteuerland im Sinne des Gesetzes nicht überschritten wird. Da die Steuerbehörde aber noch keine Liste der Staaten, die einen Informationsaustausch mit Russland zwecks Besteuerung verweigern, veröffentlicht hat, kann an dieser Stelle eine endgültige Aussage noch nicht getroffen werden. Weniger attraktiv werden Holdinggesellschaften in jedem Fall in Zypern, Irland, Bulgarien, Isle of Man und anderen Steueroasen dieser Welt. Neben der zusätzlichen Steuerlast entstehen dann zusätzliche Pflichten bei der Rechnungslegung und der Benachrichtigung der russischen Steuerbehörden.

Was ist zu tun?

Zunächst ist es ratsam zu prüfen, ob die bestehende oder geplante Investition in Russland mit dem neuen Gesetz potenziell in Berührung kommt, weil der Sitz der Holding in einem der betroffenen Länder liegt oder liegen soll. Ist das nicht der Fall, so lohnt es sich trotzdem, die Entwicklung weiter im Blick zu behalten, denn einige Länder sind nur deshalb nicht betroffen, weil sie – gemessen an dem hier in Rede stehenden Gesetz – nur knapp oberhalb der Grenze zum Niedrigsteuerland liegen und sich die Situation durch Steuersenkungen in Zukunft ändern kann. Zudem ist bisher unklar, welche Staaten aus russischer Sicht den Informationsaustausch verweigern. Schließlich sind jetzt schon Änderungen des neuen Gesetzes geplant, die derzeit noch nicht betroffene Investitionsstrukturen umfassen könnten.

Befindet sich der Sitz der Holding in einem der betroffenen Länder und ist der Anwendungsbereich des neuen Gesetzes auch im Übrigen eröffnet, so lohnt es sich, über eine Reorganisation der Unternehmensstruktur und Verlegung der Auslandsholding nach Russland oder in ein anderes Land nachzudenken. In jedem Fall sollten dann entsprechende Maßnahmen getroffen werden, um Verstöße gegen das neue Gesetz zu vermeiden.
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1 Zum sogenannten passiven Gewinn der ausländischen Organisation zählen insbesondere Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren, Erlöse aus Aktienverkauf sowie Einkünfte aus erbrachten Dienstleistungen wie (Rechts-)Beratung, Buchhaltung, Audit, Ingenieursleistungen, Werbung oder Marketing.

2 Entspricht rund EUR 165.000 bei einem Wechselkurs von EUR 1/RUB 60, Stand 7. April 2015.