Das Klima in Russland wird unverkennbar rauer. Die Sanktionen der EU und der USA gegen die Schlüsselsektoren der russischen Wirtschaft sowie die Gegensanktionen Russlands im Agrarsektor führten zu schwerwiegenden Folgen. Ganze Wirtschaftszweige geraten ins Straucheln, Investitionen aus dem Ausland bleiben fern, das Russlandgeschäft bricht ein. Der Verfall des Rohölpreises hat zudem genügt, den Rubelkurs abstürzen zu lassen. Importierte Waren sind dadurch über Nacht extrem teuer geworden. Ebenso schwierig sind Fertigungsprozesse geworden, die auf Zulieferungen aus dem Westen aufbauen.
All dies sind Faktoren, die sich hinter den aktuellen Lokalisierungsanstrengungen der russischen Regierung verbergen. Diese nimmt die ungünstige wirtschaftliche Lage zum Anlass, um Produktion nach Russland zu ziehen und importierte Ware durch lokale Produkte zu ersetzen.
Diese neue Politik arbeitet vor allem mit Negativ-Anreizen wie Einkaufsverboten für den Staat und staatseigene Unternehmen. Das hat unmittelbare Auswirkungen auf deutsche Unternehmen mit signifikanten Handelsaktivitäten in Russland: Sie stehen in der Gefahr, ihren Markt zu verlieren, wenn Kunden daran gehindert sind, Importware abzunehmen. Die Alternative ist schlicht, entweder den Markt aufzugeben oder im Land zu produzieren.
Aktuelle Gesetzeslage
Die Förderung der lokalen industriellen Fertigung erfolgt durch Gesetze und beschränkende Regelungen auf verschiedenen Ebenen. Für ausländische Produkte wird der Zugang zum russischen Markt insbesondere durch zwei Gesetze beschränkt: das „Vergabegesetz (Gesetz Nr. 44-FZ) und das Gesetz über den Einkauf durch Staatsunternehmen (Gesetz Nr. 223-FZ)“.
Das Vergabegesetz, das Beschaffung von Gütern durch den Staat regelt, geht grundsätzlich von der Gleichstellung russischer und ausländischer Waren auch in staatlichen Ausschreibungen aus. Es eröffnet aber die Möglichkeit, über Verordnungen Sonderregeln zu schaffen, die inländische Waren begünstigen bzw. ausländische Waren beschränken. Staatliche Stellen dürfen daher keine ausländischen Fahrzeuge (Pkw wie Lkw) mehr einkaufen. Ähnliche Beschränkungen gelten im Textilsektor. Russische Ware hat dagegen einen 15%igen Preisvorteil: In Ausschreibungen dürfen russische Waren um diesen Prozentsatz teurer sein als konkurrierende ausländische Waren, ohne dass dies im Verfahren als Nachteil angerechnet wird.
Das Gesetz über den Einkauf durch Staatsunternehmen setzt einen ähnlichen Mechanismus ein: Der russischen Regierung wird das Recht eingeräumt, Unternehmen mit mehrheitlicher Staatsbeteiligung vorzuschreiben, bestimmte Waren nur noch dann zu kaufen, wenn sie russischen Ursprungs sind. Die Regierung hat davon bis zum heutigen Zeitpunkt noch keinen Gebrauch gemacht. Allerdings läuft eine aktive Diskussion über mögliche Beschränkungen, mit deren Einführung zeitnah zu rechnen ist.
Seit einiger Zeit gibt es zudem Programme, die durch branchenspezifische Regelungen bestimmte Wirtschaftszweige zur Lokalisierung der Produktion in Russland bewegen sollen. In der Autoindustrie wurde dies mit Erfolg bereits durchgesetzt; der Lokalisierungsgrad ist vergleichsweise hoch. Andere Sektoren, u. a. der Gesundheitssektor, die Telekommunikationsindustrie, der Energiesektor sowie der Agrarsektor, sind von diesen Regelungen ebenfalls betroffen.
Ausweg – Lokalisierung der Produktion
Für viele Unternehmen ist die Lokalisierung der Produktion die einzige verbleibende Möglichkeit, das Russlandgeschäft zu halten. Ziel der Lokalisierung muss dabei nicht die vollständige Produktion in Russland sein. Ausreichend ist es, eine Wertschöpfung in Russland bzw. in der eurasischen Zollunion zu erbringen, die genügt, um eine Klassifizierung als „russisches Produkt“ zu erhalten. Dazu gibt es sektorspezifische Regeln, die für jedes Produkt unterschiedlich sein können. Bei der Beurteilung, ob eine ausreichende Fertigungstiefe in Russland erreicht wurde, wird strukturell an drei Kriterien angeknüpft:
- die Änderung des Zollcodes (formelles Kriterium),
- technische oder industrielle Bearbeitung (technisches Kriterium) und
- Verhältnis vom Wert des Komponenten zum Wert des Endprodukts (wertmäßiges Kriterium).
Im Einzelnen ist die Anwendbarkeit dieser Kriterien jeweils zu prüfen. Die Festlegung des Herkunftslandes erfolgt anschließend durch Zertifizierung und Erhalt eines solchen Herkunftszertifikats. Dieses wird von einer Handelskammer auf Grundlage eines Gutachtens erteilt.
Fazit
Die russische Regierung hat die Sanktionen zum Anlass genommen, um die lokale Fertigung zu fördern. Es ist damit zu rechnen, dass heimische Ware auf Kosten ausländischer Produktion im steigenden Maße bevorzugt wird. Die bestehenden Vorschriften werden verschärft und neue Handelsbeschränkungen eingeführt. Wenn sich diese Tendenzen so fortsetzen, wie derzeit angelegt, wird für einige Marktteilnehmer die Produktionsansiedlung in Russland eine Notwendigkeit werden.
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