Nach dem derzeit geltenden Arbeitsgesetz (ArG) sowie der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz (ArGV 1) haben Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass grundsätzlich alle Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit im Detail erfassen. Ausgenommen sind lediglich die höheren leitenden Angestellten, d. h. die wenigen Mitglieder des Top Managements (diese unterstehen dem ArG im Grundsatz nicht).
Diese gesetzliche Regelung wurde seit längerer Zeit als überholt kritisiert. Zudem trägt sie dem heutigen Arbeitsalltag, welcher zumindest in gewissen Funktionen bzw. Positionen keine scharfe Trennung zwischen Berufs-und Privatleben kennt, nicht ausreichend Rechnung.
In einer Weisung vom 19. Dezember 2013 hat das SECO (Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft) die kantonalen Arbeitsinspektorate aufgefordert, ihre Praxis der Arbeitszeitkontrollen ab dem 1. Januar 2014 anzupassen. Insbesondere wird in dieser Weisung festgehalten, dass für eine bestimmte Kategorie von Arbeitnehmern eine vereinfachte Arbeitszeiterfassung ausreichend sein kann. Die vereinfachte Arbeitszeit-erfassung gilt für Arbeitnehmer, welche einen wesentlichen Entscheidungsspielraum in der Arbeit haben, ihre Arbeit weitgehend selber planen und auch selbst entscheiden, wann sie arbeiten; dies gilt allerdings nur, wenn die fraglichen Mitarbeiter nicht regelmässig Nacht-und Sonntagsarbeit leisten.
Diese Weisung des SECO wird nun per 1. Januar 2016 durch eine Anpassung der ArGV 1 abgelöst, auf welche sich die Sozialpartner geeinigt haben.
Inhalt der neuen Regelungen
a) Ausgangslage
Per 1. Januar 2016 treten mit Art. 73a und 73b zwei neue Bestimmungen der ArGV 1 in Kraft. Während sich Art. 73a ArGV 1 dem Verzicht auf die Arbeits-zeiterfassung widmet, hat Art. 73b ArGV 1 die vereinfachte Arbeitszeiterfassung zum Gegenstand.
b) Verzicht auf Arbeitszeiterfassung
Der Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung muss gemäss Art. 73a ArGV 1 in einem Gesamtarbeitsvertrag erfolgen. Sodann müssen drei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein. Erstens muss der Arbeitnehmer über ein grosses Mass an Autonomie verfügen und seine Arbeitszeiten mehrheitlich selber festsetzen können (Abs. 1 lit. a). Zweitens muss er ein Bruttojahreseinkommen (ein-schliesslich Boni) haben, welches mehr als CHF 120’000 beträgt (Abs. 1 lit. b). Drittens muss der Arbeitnehmer schriftlich sein individuelles Einverständnis erklären (Abs. 1 lit. c). Diese Einverständniserklärung kann der Arbeitnehmer jährlich widerrufen. Ergänzende Angaben zum Gesamtarbeitsvertrag sind in Abs. 3 festgehalten; insbesondere muss dieser von der Mehrheit der reprä¬sentativen Arbeitnehmerorganisationen der Branche oder des Betriebs unterzeichnet sein.
c) Vereinfachte Arbeitszeiterfassung
Die vereinfachte Arbeitszeiterfassung gemäss Art. 73b ArGV kann gestützt auf eine Vereinbarung mit einer Arbeitnehmervertretung auf der Stufe des Betriebs eingeführt werden. Wo eine solche nicht besteht, ist die Vereinbarung mit der Mehrheit der Arbeitnehmer zu schliessen. Eine Vereinfachung besteht für Betriebe mit weniger als 50 Arbeitnehmern; hier kann die Einführung der vereinfachten Arbeitszeiterfassung individuell mit den fraglichen Mitarbeitern schriftlich vereinbart werden.
Wie beim Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung kann auch die vereinfachte Arbeitszeiterfassung nicht für sämtliche Arbeitnehmer eingeführt werden, sondern nur für diejenigen, welche ihre Arbeitszeiten zu einem namhaften Teil selber bestimmen können. In diesem Fall muss nur die täglich geleistete Arbeitszeit erfasst werden (Abs. 1).
In Bezug auf die Vereinbarung schreibt Abs. 2 vor, dass die Arbeitnehmerkategorien aufgeführt sein müssen, für welche die Arbeitszeit vereinfacht erfasst werden kann. Zudem müsse festgehalten werden, wie die Arbeits-und Ruhezeitbestimmungen eingehalten werden. Eine paritätische Begleitung soll dafür sorgen, dass die Vereinbarung eingehalten wird.
Der soeben geschilderte Vereinbarungsinhalt entfällt, wenn in Betrieben mit weniger als 50 Mitarbeitenden individuelle Vereinbarungen abgeschlossen werden. Diesfalls ist jedoch in der individuellen Vereinbarung auf die geltenden Arbeits-und Ruhezeitbestimmungen hinzuweisen. Schliesslich muss diesfalls in einem jährlichen Jahresendgespräch die Situation bezüglich Arbeitsbelastung besprochen werden (was seitens des Arbeitgebers zu dokumentieren ist).
Fazit
Die mit der Revision der ArGV 1 geschaffenen Möglichkeiten (Verzicht auf Arbeitszeiterfassung bzw. vereinfachte Arbeitszeiterfassung) erscheinen auf den ersten Blick attraktiv. Dieses positive Grundbild wird dadurch ganz erheblich relativiert, dass für den Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung der Abschluss eines Gesamtarbeitsvertrages notwendig ist. Damit ist die neue Regelung vor allem für diejenigen Branchen bzw. Arbeitgeber interessant, welche bereits heute einem Gesamtarbeitsvertrag unterstehen. Sich bloss wegen der neuen Regelung zur Arbeitszeiterfassung einem (umfassenden) Gesamtarbeitsvertrag zu unterstellen, dürfte für die übrigen Arbeitgeber keine echte Alternative darstellen.
Die vereinfachte Arbeitszeiterfassung bedarf grundsätzlich insbesondere einer Vereinbarung mit der betriebsinternen Mitarbeitervertretung. Erleichtert wurde die Situation für kleinere Betriebe mit weniger als 50 Mitarbeitern; hier besteht auch die Möglichkeit von individuellen Vereinbarungen.
Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass mit Inkrafttreten der neuen Regelungen der Druck auf die Behörden bzw. Arbeitsinspektorate steigt, die Einhaltung der Regeln zur Arbeitszeit zu kontrollieren und effektiv durchzusetzen.
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