Umstrittene Planungsentscheide im Bereich der hochspezialisierten Medizin (HSM)

Schweiz
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Die Planung der hochspezialisierten Medizin (HSM) wird von allen Kantonen gemeinsam durchgeführt. Die Entscheide des zuständigen Beschlussorgans sind oft umstritten. Nicht alle sind aber gleichermassen anfechtbar. Die nachfolgenden Ausführungen geben einen Überblick.

Als hochspezialisierte Medizin (HSM) gelten diejenigen medizinischen Bereiche und Leistungen, die durch ihre Seltenheit, durch ihr hohes Innovationspotenzial, durch einen hohen personellen oder technischen Aufwand oder durch komplexe Behandlungsverfahren gekennzeichnet sind.

Im Bereich der hochspezialisierten Medizin haben die Kantone gemeinsam eine gesamtschweizerische Planung zu beschliessen. Die Kantone haben dazu per 2009 die Interkantonale Vereinbarung über die hochspezialisierte Medizin (IVHSM) abgeschlossen. Sie bezweckt „im Interesse einer bedarfsgerechten, qualitativ hochstehenden und wirtschaftlich erbrachten medizinischen Versorgung die Sicherstellung der Koordination der Konzentration der hochspezialisierten Medizin“ (Art. 1 Abs. 1 IVHSM).

Mit der IVHSM wurden auch Organe geschaffen. Das wichtigste ist das HSM-Beschlussorgan. Fünf der zehn Mitglieder sind die Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren der Universitätsspitäler-Kantone (Zürich, Bern, Basel-Stadt, Waadt und Genf). Die anderen fünf Mitglieder stammen aus den übrigen Kantonen (derzeit Glarus, Luzern, St. Gallen, Tessin und Zug). Beim HSM-Beschlussorgan handelt es sich um ein politisches Organ.

Aufgabe des HSM-Beschlussorgans ist die Schaffung der sog. Interkantonalen Spitalliste zur hochspezialisierten Medizin. In einem zweistufigen Verfahren hat das HSM-Beschlussorgan zunächst darüber zu entscheiden, welche Bereiche der hochspezialisierten Medizin einer schweizweiten Konzentration bedürfen (Zuordnungsbeschluss), und danach, welche Spitäler einen Leistungsauftrag erhalten (Zuteilungsentscheid). Die Vorbereitung der Beschlüsse resp. der Entscheide erfolgt durch das HSM-Fachorgan.

Die Zuordnungsbeschlüsse und Zuteilungsentscheide zusammen bilden die Interkantonale Spitalliste zur hochspezialisierten Medizin. Als interkantonale Liste geht sie den kantonalen Spitallisten vor. Die Liste ist im Internet abrufbar. Die Bereiche und Leistungen werden grundsätzlich anhand des Schweizerischen Operationskatalogs (CHOP) und des internationalen Diagnoseverzeichnisses (ICD) abgebildet.

Zuordnungsbeschlüsse sind gerichtlich nicht selbständig anfechtbar. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht letztes Jahr (2016) entschieden. Der Grund liegt darin, dass in Zuordnungsbeschlüssen nicht individuell-konkret über Leistungsaufträge entschieden, sondern – ähnlich wie bei Rechtssätzen – in generell-abstrakter Weise definiert wird, welche Bereiche zur hochspezialisierten Medizin gehören, der Planungshoheit der einzelnen Kantone entzogen und derjenigen des HSM-Beschlussorgans unterstellt werden.

Zuteilungsentscheide hingegen sind grundsätzlich gerichtlich anfechtbar. Mit einem Zuteilungsentscheid teilt das HSM-Beschlussorgan einzelnen Spitälern (oder anderen Leistungserbringern) Leistungsaufträge zu, spezifiziert diese und versieht sie mit allfälligen Auflagen. Zuteilungsentscheide sind immer befristet. Der Leistungsauftrag berechtigt das Spital zur Leistungserbringung zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung. Für ein Spital ist ein solcher Leistungsauftrag daher äusserst wichtig.

Die Kriterien, nach denen das HSM-Beschlussorgan die Zuteilung vorzunehmen hat, sind einerseits in der IVHSM spezifiziert: Qualität, Verfügbarkeit hochqualifizierten Personals und Teambildung, Verfügbarkeit der unterstützten Disziplinen, Wirtschaftlichkeit, Weiterentwicklungspotential, Relevanz des Bezugs zu Forschung und Lehre sowie internationale Konkurrenzfähigkeit. Die IVHSM sieht ausserdem gewisse Planungsgrundsätze vor. Andererseits hat das HSM-Beschlussorgan aber auch die allgemeinen krankenversicherungsrechtlichen Planungskriterien für Spitallisten zu beachten. Diese Vielfalt an Kriterien und die Tatsache, dass das HSM-Beschlussorgan bei seinen Zuteilungsentscheiden über einen erheblichen Ermessensspielraum verfügt, führt dazu, dass Zuteilungsentscheide oft umstritten sind.

Das Verfahren zum Erlass eines Zuteilungsentscheids hat gewissen rechtsstaatlichen Vorgaben zu genügen. So müssen etwa die betroffenen Spitäler (insbesondere diejenigen Spitäler, die für einen Leistungsauftrag in Frage kommen) vor Erlass des Zuteilungsentscheides angehört und muss der Zuteilungsentscheid begründet werden.

Rechtlich handelt es sich bei Zuteilungsentscheiden – wie bei den kantonalen Spitallisten – um ein Rechtsinstitut sui generis, das sowohl Elemente einer Verfügung als auch solche eines Rechtssatzes enthält. Rechtlich bestehen Zuteilungsentscheide in erster Linie aus einem Bündel von Individualverfügungen. Angefochten werden können daher grundsätzlich nur die einzelnen Individualverfügungen und diese auch nur von demjenigen Spital, das direkt betroffen ist. Dies ist der Fall bei einem Spital, das unberücksichtigt geblieben ist, nicht jedoch bei einem Spital, das sich gegen eine Listung eines anderen Spitals wehren oder dessen Leistungsauftrag reduzieren will.

Zuteilungsentscheide werden im Bundesblatt publiziert und können innert 30 Tagen beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden. Das Beschwerdeverfahren weist einige Besonderheiten aus. So ist etwa die Rüge der Unangemessenheit nicht zulässig. Besonders ist auch, dass das Bundesverwaltungsgericht letztinstanzlich entscheidet. Eine Beschwerde an das Bundesgericht ist nicht möglich.