Die neuen Regeln betreffend geldwerte Vorteile sind nun definitiv bekannt

Schweiz

Vor drei Jahren hat das Schweizer Parlament im Rahmen der Heilmittelrechtsrevision die gesetzlichen Regeln über die sogenannten geldwerten Vorteile (Rabatte, Kickbacks, Sponsoring usw.) geändert. Vor Kurzem hat der Schweizer Bundesrat nun die dazugehörigen Ausführungsbestimmungen verabschiedet. Das ganze Paket tritt am 1. Januar 2020 in Kraft. Für die Arzneimittel­ und Medizinprodukteindustrie sowie die medizinischen Leistungserbringer besteht Anpassungsbedarf. Die folgenden Ausführungen verschaffen einen Überblick.

Inkrafttreten per 1. Januar 2020

Die Frage, ob im Heilmittelbereich sogenannte geldwerte Vorteile (Rabatte, Kickbacks, Sponsoring usw.) zulässig sind, ist derzeit (noch) in Art. 33 des Heilmittelgesetzes (HMG) geregelt. Damit eng im Zusammenhang steht Art. 56 Abs. 3 des Krankenversicherungsgesetzes (KVG), welcher die Weitergabe von Vergünstigungen regelt. Die genaue Bedeutung der beiden Bestimmungen ist unklar und führte immer wieder zu Rechtsunsicherheiten.



Aufgrund ihrer zahlreichen Probleme wurden beide Bestimmungen im Rahmen der HMG­Revision 2016 revidiert: Art. 33 HMG wurde aufgehoben und die Thematik der geldwerten Vorteile wurde in Art. 55 f. HMG unter dem Titel „Integrität und Transparenz“ neu und breiter geregelt. Art. 56 Abs. 3 KVG wurde durch einen neuen Abs. 3bis modifiziert. Nach über drei Jahren hat der Bundesrat nun die dazugehörigen Ausführungsbestimmungen verabschiedet. Das gesamte Paket tritt am 1. Januar 2020 in Kraft. Bis dahin bleibt den Marktteilnehmern (insbesondere der Arzneimittel­ und Medizinprodukteindustrie sowie den medizinischen Leistungserbringern) Zeit, sich auf die neue Rechtslage einzustellen (z.B. Anpassung der Vertriebs­ bzw. Einkaufsverträge).

Änderungen bei der Zulässigkeit von geldwerten Vorteilen

Die neue Integritätsbestimmung (Art. 55 HMG) enthält ein doppelseitiges Verbot (Art. 55 Abs. 1). Demnach „[dürfen] Personen, die verschreibungspflichtige Arzneimittel verschreiben, abgeben, anwenden oder zu diesem Zweck einkaufen, und Organisationen, die solche Personen beschäftigen, [...] weder für sich noch zu Gunsten eines Dritten einen nicht gebührenden Vorteil fordern, sich versprechen lassen oder annehmen. Desgleichen ist es verboten, einer solchen Person oder Organisation zu deren Gunsten oder zu Gunsten eines Dritten einen nicht gebührenden Vorteil anzubieten, zu versprechen oder zu gewähren.“ Im Gegensatz zum heutigen Recht ist der persönliche Anwendungsbereich erweitert (neu fallen etwa auch Einkäufer darunter wie z.B. Mitglieder von Arzneimittelkommissionen in Spitälern, Alters­ oder Pflegeheimen und Einkäufer für Ärzte­Netzwerke). Der sachliche Geltungsbereich wurde hingegen von sämtlichen Arzneimitteln auf verschreibungspflichtige Arzneimittel reduziert. Sofern die derzeit laufende Medizinprodukterevision wie geplant abgeschlossen werden kann, findet das Verbot künftig allerdings auch auf gewisse Medizinprodukte Anwendung.



Von diesem Vorteilsverbot gibt es nur vier Ausnahmen (Art. 55 Abs. 2 HMG). Die erste Ausnahme: „Vorteile von bescheidenem Wert, die für die medizinische oder pharmazeutische Praxis von Belang sind“. Unter diese Ausnahme (die ganz ähnlich bereits heute besteht) fallen Vorteile an Fachpersonen im Gesamtwert von höchstens 300 Franken pro Fachperson und Jahr, die in direktem Zusammenhang mit der Berufsausübung der Fachperson stehen (z.B. Fachliteratur, Software, Fiebermesser) oder direkt der Kundschaft der Fachperson zugutekommen (z.B. ein Schaukelpferd für das Wartezimmer). Für Gewinne und Preise im Rahmen von Wettbewerben gibt es eine spezielle (und neue) Regelung.



Die zweite Ausnahme: „Unterstützungsbeiträge für Forschung, Weiter­ und Fortbildung, sofern bestimmte Kriterien erfüllt sind“. Die „bestimmten Kriterien“ hat der Bundesrat auf Verordnungsstufe in differenzierter Art und Weise konkretisiert. Unterstützungsbeiträge für Forschung, Lehre und Infrastruktur (Sponsoring) sind nur noch zulässig, wenn sie – neben weiteren Voraussetzungen – an Organisationen (und nicht an Fachpersonen) ausgerichtet und in der Buchhaltung ausgewiesen werden. Gleiches gilt für Unterstützungsbeiträge für die Weiter­ oder Fortbildung von Fachpersonen, wobei hier die Organisation zusätzlich unabhängig über die Art und Auswahl der Weiter­ oder Fortbildung sowie über die teilnehmenden Fachpersonen entscheiden muss. Bei den Unterstützungsbeiträgen für die Teilnahme an Veranstaltungen zur Weiter­ oder Fortbildung hat die teilnehmende Fachperson (oder ihr Arbeitgeber) – wie bisher – einen Selbstkostenbeitrag (auf genau definierte Kosten) zu leisten. In Anlehnung an die bisherige Vollzugspraxis wird unterschieden, ob es sich um eine Fortbildungsveranstaltung (Selbstkostenbeitrag von mindestens 1/3) oder um eine Weiterbildungsveranstaltung (Selbstkostenbeitrag von mindestens 1/5) handelt. Erbringt die Fachperson an der Veranstaltung eine gleichwertige Gegenleistung, so kann – grundsätzlich wie bisher, aber neu unter zusätzlichen Voraussetzungen – der Selbstkostenbeitrag erlassen werden. Eine Erlassmöglichkeit besteht auch bei kürzeren Veranstaltungen.



Die dritte Ausnahme: „Abgeltungen für gleichwertige Gegenleistungen, insbesondere für solche bei Bestellungen und Lieferungen von Heilmitteln“. Diese Ausnahme ist grundsätzlich nicht neu. Neu ist allerdings, dass die Abgeltungen nur noch dann zulässig sind, wenn sie auf einer schriftlichen Vereinbarung basieren, woraus Art und Umfang von Gegenleistung und angemessener Abgeltung hervorgehen. Keine schriftliche Vereinbarung wird benötigt bei der Übernahme von Verpflegungskosten bis höchstens 100 Franken im Rahmen eines Fachgesprächs. Die Verordnungsbestimmungen enthalten ausserdem einen kurzen Katalog von ausdrücklich erlaubten Gegenleistungen, wie z.B. Logistikaufwand, Gutachtertätigkeit oder Mitwirkung in Advisory Boards.



Die vierte Ausnahme erfasst „beim Heilmitteleinkauf gewährte Preisrabatte oder Rückvergütungen, sofern sie keinen Einfluss auf die Wahl der Behandlung haben“. Ein „Preisrabatt“ ist dabei die „Differenz zwischen dem Standardpreis eines Produkts und dem im Rahmen einer Transaktion effektiv bezahlten Preis“. Eine Rückvergütung ist eine besondere Rabattart, die nachträglich am Ende eines bestimmten Zeitraumes erfolgt. Soweit Arzneimittel der krankenversicherungsrechtlichen Spezialitätenliste (Liste der von den Krankenkassen vergüteten Arzneimittel) betroffen sind, liegt nach der Verordnung u.a. dann ein Preisrabatt vor, wenn der effektiv bezahlte Preis unter dem Fabrikabgabepreis (FAP) liegt. Betreffend die Voraussetzung, dass die Preisrabatte bzw. Rückvergütungen keinen Einfluss auf die Wahl der Behandlung haben dürfen, enthält die Verordnung keine Hinweise. Nach der Verordnung sind Naturalrabatte (Lieferung einer grösseren als der bestellten und in Rechnung gestellten Menge) neu verboten. Verboten für Fachpersonen ist auch der Verkauf von erhaltenen Musterpackungen.

Neue Transparenzpflichten

Nach der neuen Transparenzbestimmung (Art. 56 HMG) „[sind s]ämtliche beim Heilmitteleinkauf gewährten Preisrabatte und Rückvergütungen [...] in den Belegen und Rechnungen sowie in den Geschäftsbüchern der verkaufenden wie der einkaufenden Personen und Organisationen auszuweisen und den zuständigen Behörden [dem Bundesamt für Gesundheit (BAG)] auf Verlangen offenzulegen“ (Art. 56 Abs. 1 HMG). Sachlich geht die Transparenzpflicht einerseits über das Vorteilsverbot (vgl. oben) hinaus. Es sind nämlich nicht nur verschreibungspflichtige Arzneimittel (Abgabekategorie A und B), sondern zusätzlich auch Arzneimittel der Abgabekategorie D und alle Medizinprodukte (ausser klassische Medizinprodukte der Klasse I) erfasst. Andererseits werden nur Preisrabatte und Rückvergütungen erfasst, nicht aber andere Vorteile.



Für Personen und Organisationen, die Heilmittel herstellen oder vertreiben, die von der Integritäts­ bzw. Transparenzbestimmung (Art. 55 bzw. 56 HMG) erfasst sind, müssen neu eine Person bezeichnen, die dem BAG auf Verlangen alle geforderten Unterlagen und Informationen liefert. Ausserdem sind sie verpflichtet, sämtliche mit Fachpersonen und Organisationen geschlossenen Vereinbarungen nach der letzten Verwendung zehn Jahre aufzubewahren und ein Verzeichnis aller Fachpersonen und Organisationen zu führen, die gebührende Vorteile erhalten haben.

Modifizierte krankenversicherungsrechtliche Weitergabepflicht

Neben diesen beiden heilmittelrechtlichen Änderungen (Art. 55 und 56 HMG) hat auch die krankenversicherungsrechtliche Pflicht zur Weitergabe von Vergünstigungen an die Patienten bzw. Krankenkassen gewisse Modifikationen erfahren. Die Weitergabepflicht (Art. 56 Abs. 3 KVG) als solche blieb unverändert. U.a. muss demnach weiterhin der „Leistungserbringer [...] dem Schuldner der Vergütung die direkten oder indirekten Vergünstigungen [vollumfänglich] weitergeben, die ihm [...] Personen oder Einrichtungen gewähren, welche Arzneimittel oder der Untersuchung oder Behandlung dienende Mittel oder Gegenstände liefern.“ Bislang bestanden zu dieser Pflicht keine ausführenden Verordnungsbestimmungen. Neu wird jedoch in der Verordnung verlangt, dass der Leistungserbringer die Vergünstigung in der Rechnung aufführt. Ist es allerdings so, dass die Vergünstigungen bereits über niedrigere Kosten in die Berechnung der Tarife und Preise der entsprechenden Leistung einfliessen (was z.B. beim System SwissDRG der Fall ist), so müssen diese im Rahmen der Rechnungsstellung nicht separat ausgewiesen werden. Insgesamt bleibt die Rechtsunsicherheit aber weiterhin hoch, insbesondere hinsichtlich der Bedeutung des Begriffs der „direkten oder indirekten Vergünstigungen“ und der korrekten „Weitergabe“.



Die Weitergabepflicht hat durch die Einfügung eines neuen Abs. 3bis eine Modifikation erfahren. Demnach können „Versicherer und Leistungserbringer [...] vereinbaren, dass Vergünstigungen gemäss [Art. 56 Abs. 3 lit. b KVG] nicht vollumfänglich weitergegeben werden müssen. Diese Vereinbarung ist den zuständigen Behörden auf Verlangen offenzulegen. Sie hat sicherzustellen, dass Vergünstigungen mehrheitlich [d.h. zu über 50%] weitergegeben werden und dass nicht weitergegebene Vergünstigungen nachweislich zur Verbesserung der Qualität der Behandlung eingesetzt werden.“ Hintergrund dieser Modifikation ist die Hoffnung des Gesetzgebers auf einen im Vergleich zu Art. 56 Abs. 3 lit. b KVG höheren Anreiz zur Aushandlung (und nachherigen teilweisen Weitergabe) von Vergünstigungen. Die Regelung ist im Detail nicht in allen Punkten klar (etwa hinsichtlich des Bezugspunktes der Vergünstigungen, hinsichtlich des Begriffs „sicherstellen“ sowie der Bedeutung des Passus „zur Verbesserung der Qualität der Behandlung“).



Einige Punkte hat der Bundesrat aber konkretisiert. So sollen etwa die Vereinbarungen in erster Linie zwischen den Verbänden der Leistungserbringer und der Versicherer abgeschlossen werden und die nicht weitergegebenen Vergünstigungen sollen in erster Linie zugunsten national ausgerichteter Programme (zur Verbesserung der Behandlungsqualität) eingesetzt werden, Alternativlösungen sind aber auch möglich. In der Verordnung ist auch festgehalten, dass die Vereinbarungen schriftlich sein müssen und einen gewissen Mindestinhalt aufweisen müssen. Ausserdem besteht für Leistungserbringer die Pflicht, das BAG über abgeschlossene Vereinbarungen (nicht aber bereits über den konkreten Inhalt) unverzüglich zu informieren. Die gleiche Pflicht trifft auch die Versicherer. Diese haben zusätzlich die Pflicht, dem BAG Bericht (und allenfalls Zwischenbericht) über die Einhaltung der Vereinbarungen zu erstatten.

Verschärfte Sanktionen und neue Zuständigkeit

Zur Durchsetzung der genannten Regelungen (Art. 55 f. HMG und Art. 56 KVG) stehen verschärfte Verwaltungsmassnahmen und verwaltungsstrafrechtliche Sanktionen gegenüber natürlichen Personen und Unternehmen zur Verfügung. Die Zuständigkeit liegt neu (praktisch ausschliesslich) gebündelt beim BAG. Die Swissmedic ist nicht mehr zuständig.