COVID-19: Hält der Unternehmenskaufvertrag?

Österreich
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Die Auswirkungen der exponentiell wachsenden Pandemie machen zurzeit vor kaum einer Region, einer Branche oder einem Unternehmen halt. Börsenwerte und damit auch Bewertungen für private Unternehmen fallen aufgrund der bestehenden Unsicherheiten in den Keller.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie nun mit unterschriebenen Unternehmenskaufverträgen umzugehen ist, wenn das Closing noch bevorsteht. Aus Käufer‑Sicht könnte eine Bewertung aus der Zeit vor der COVID‑19‑Krise nun sehr teuer wirken. Die Pandemie kann neben vertraglichen Regelungen auch verschiedene gesetzliche Behelfe auslösen.

1. Vertragliche Bestimmungen

Falls nicht ohnehin schon geschehen, wird sich durch die Folgen des Coronavirus die Performance etlicher Unternehmen wesentlich verschlechtern. Um beim Unternehmenskauf solche Szenarien ausdrücklich zu regeln, finden sich in Verträgen insbesondere folgende Bestimmungen:

  • Material Adverse Change‑Klauseln (MAC‑Klauseln): Dem Käufer wird hierdurch ein Rücktrittsrecht oder ein Ersatzanspruch für den Fall eingeräumt, dass eine definierte wesentliche nachteilige Veränderung vor Closing eintritt. Die nachteilige Veränderung muss nicht in der Sphäre einer Partei oder des Targets begründet sein, sondern kann der neutralen Sphäre entstammen. MAC‑Klauseln können daher beispielsweise lediglich auf die Verschlechterungen von vordefinierten Finanzkennzahlen des Targets – wie z.B. Umsatz oder EBIT(DA) – in einem bestimmten Zeitraum abstellen. Aufgrund der Ausmaße der akuten COVID‑19‑Krise werden wohl einige MAC‑Klauseln ausgelöst. Die vereinbarten Klauseln können wiederrum Ausnahmen (Carve‑Outs) enthalten: z.B. gilt die MAC‑Klausel dann nicht als ausgelöst, wenn die nachteilige Veränderung beim Target im Zusammenhang mit höherer Gewalt oder negativer Entwicklung der Gesamtwirtschaft steht.
  • Force‑Majeure‑Klauseln: Typischerweise wird ein Rücktrittrecht oder die Auflösung des Vertrages an den Eintritt eines definierten subjektiv unvorhergesehenen und objektiv unbeeinflussbaren Umstands (z.B. Krieg, Naturkatastrophen oder Seuchen) geknüpft. Ob eine Force‑Majeure‑Klausel in der akuten Situation ausgelöst wurde, ist anhand der jeweiligen Formulierung zu prüfen (siehe hierzu auch der CMS Expert Guide to Force Majeure).
  • Aufschiebende Bedingungen (Conditions Precedent): In der Vertragsdokumentation können zudem aufschiebende Bedingungen vorgesehen sein, die aufgrund der Auswirkungen der COVID‑19‑Krise faktisch schlichtweg nicht mehr (rechtzeitig) erfüllbar sind (z.B. aufgrund verzögerter Behördenreaktion).

Am (zumindest bis vor kurzem noch) verkäuferfreundlichen europäischen Markt bestehen oftmals keine vertraglichen Bestimmungen, die Ereignisse wie die COVID 19 Krise ausreichend behandeln. Nur bei ca. 16% der im europäischen Raum durchgeführten Unternehmenstransaktionen wurden beispielsweise MAC Klauseln vereinbart, wovon wiederrum 15% Carve Outs betreffend höhere Gewalt und 22% Carve Outs betreffend negative Entwicklung der Gesamtwirtschaft enthalten (siehe hierzu auch die CMS European M&A Study 2020).

2. Gesetzliches Auffangnetz

Da in den meisten Fällen keine vertragliche Regelung besteht, die die COVID 19 Krise ausreichend adressiert, gebietet sich die Prüfung der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Nach österreichischem Recht trägt der Verkäufer nach Vertragsabschluss weiterhin das Risiko der Verschlechterung der verkauften Sache bis zum Zeitpunkt der vereinbarten Übergabe (zufällige nachträgliche Unmöglichkeit, §§ 880, 1447 ABGB). Zu prüfen sind nun jedoch insbesondere folgende Punkte, sofern jeweils kein vertraglicher Verzicht vorliegt:

  • §§ 1049 iVm 1066 ABGB: § 1049 S 1 ABGB sieht vor, dass der Veräußerer bis zur vereinbarten Übergabe das Risiko des zufälligen Wertverlustes von bis zu 50% des Kaufgegenstandes trägt; der Käufer hätte einen entsprechend niedrigeren Kaufpreis zu zahlen. § 1049 S 2 ABGB enthält eine Ausnahme für den Kauf in Pausch und Bogen nach § 930 ABGB: das Risiko eines zufälligen Wertverlusts (bis zu 50%) trägt diesfalls der Käufer. Ob ein Unternehmenskauf unter diese Ausnahme fällt, ist nicht abschließend geklärt. Es sprechen jedoch gute Gründe dafür, dass es sich dabei um einen Kauf in Pausch und Bogen handelt.
  • Nachträgliche laesio enormis: Nach §§ 1048 iVm 1066 ABGB gilt ein Geschäft als nicht abgeschlossen, wenn das kaufgegenständliche Unternehmen zwischen Signing und Closing zufälligerweise – wie aufgrund der Schwere der COVID 19 Krise nicht undenkbar – über die Hälfte des Wertes verliert. Kann der Käufer einen solchen Wertverlust beweisen, erhält er ein gesetzliches Rücktrittsrecht.
  • Wegfall der Geschäftsgrundlage: Fällt eine geschäftstypische Voraussetzung des Unternehmenskaufs weg (im Einzelfall zu prüfen), ist er potentiell anfechtbar, wenn er für die betroffene Partei (i) nicht vorhersehbar war, (ii) sich nicht in ihrer eigenen Sphäre ereignete, (iii) eine schwere Äquivalenzstörung oder Zweckvereitelung nach sich zieht, und (iv) weder der Vertrag noch das Gesetz eine sonstige Handlungsmöglichkeit für die Partei vorsehen. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, wird im Einzelfall geklärt werden müssen. Tendenziell erachten wir eine schwere Äquivalenzstörung oder eine Zweckvereitelung für eher unwahrscheinlich.
  • Laesio enormis: Nach § 934 ABGB ist ein Geschäft anfechtbar, wenn das kaufgegenständliche Unternehmen im Zeitpunkt des Signings nicht einmal die Hälfte des Wertes des Kaufpreises hat.
  • Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrages: Wurden in der Vertragsdokumentation Gewährleistungszusagen betreffend bestimmte Merkmale des Targets (z.B. Erreichung bestimmter Finanzkennzahlen) gemacht und werden diese Gewährleistungszusagen zum Closing verletzt, steht dem Käufer grundsätzlich nach § 1052 S 1 ABGB ein Leistungsverweigerungsrecht zu.

Zu beachten ist, dass es sich bei den vorgenannten gesetzlichen Bestimmungen (zumindest außerhalb des Verbraucherrechts) um dispositive Bestimmungen handelt und ein Ausschluss daher rechtlich grundsätzlich wirksam ist. Verzichte sind jedoch restriktiv auszulegen und genau zu prüfen: gemäß § 937 ABGB (analog) sind Verzichtserklärungen im Voraus nämlich unwirksam, falls diese nicht ausreichend bestimmt sind.

3. Insolvenz

Trifft die COVID 19 Krise eine der involvierten Gesellschaften derart, dass es sogar zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kommt, sind insbesondere folgende Aspekte zu beachten:

  • Insolvenz des Käufers oder Verkäufers:
    • § 25b Abs 2 IO: Die materielle Insolvenz einer Vertragspartei löst kein Rücktrittsrecht der anderen Vertragspartei aus. Eine abweichende Bestimmung ist unwirksam (§ 25b Abs 2 IO). Da das Target normalerweise nicht Vertragspartei des Unternehmenskaufvertrags ist, kann die materielle Insolvenz des Targets als Rücktrittsrecht zugunsten des Käufers vereinbart werden.
    • § 21 IO: Der Insolvenzverwalter kann vom Kaufvertrag zurücktreten, falls der Kaufvertrag vor Eröffnung der Insolvenz geschlossen aber im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht wenigstens durch eine Seite vollständig erfüllt wurde.
    • §§ 27 ff IO: Die Anfechtung des Unternehmenskaufs durch den Insolvenzverwalter der insolventen Partei ist potentiell möglich, wenn die Transaktion nachteilig für die Masse war und insbesondere entweder eine Begünstigung oder eine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit vorgelegen ist. Die Anfechtungsvoraussetzungen sind insbesondere hier im Einzelfall zu prüfen.
  • Insolvenz des Targets: Bei einem verkäuferfreundlich Unternehmenskaufvertrag, kann es sein, dass der Käufer schlussendlich das (inzwischen) insolvente Target übernehmen muss. Ob etwaige Rechte des Käufers bestehen, ist jedenfalls anhand der konkreten Vertragsdokumentation zu prüfen.

4. Fazit

Die stetige Ausbreitung der COVID 19 Pandemie führt unweigerlich zu einer dramatischen Verschlechterung der Wirtschaftslage in den meisten Branchen und Sektoren. Mögliche Stolpersteine auf dem Weg zum Closing von Unternehmenstransaktionen sind daher jedenfalls zu prüfen. Die Durchsicht der bestehenden Vertragsdokumentation schafft die Möglichkeit, Handlungsoptionen zu erarbeiten und gegebenenfalls durch Wiederaufnahme von Verhandlungen Deals zu retten oder als Käufer erfolgreich den Rücktritt zu erreichen.