Was bei Verfahren rund um den Schutz von Geschäftsgeheimnissen zu beachten ist

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Während die UWG-Novelle 2018 (BGBl I 109/2018) den Schutz von unternehmensinternem Know-how stärken und erweitern sollte, liegt es nun an den Gerichten, hier mitzuziehen. Die erste veröffentlichte Entscheidung des OGH (25.06.2020, 9 ObA 7/20z) zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen bietet Aufschluss über die ersten Dos und Don'ts für die Rechtsverfolgung.

Dos und Don'ts im gerichtlichen Verfahren

Anhand der Entscheidung des OGH ist für die Praxis vorerst zu raten, in der Klage und dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung das betroffene Geschäftsgeheimnis so konkret wie möglich darzulegen und von pauschalen Kategorisierungen Abstand zu nehmen. So ist zu beachten, dass trotz der Herabsetzung des Beweismaßes im verfahrenseinleitenden Schriftsatz dennoch die allgemeinen Beweislastregeln der ZPO gelten. Die Beweislast trifft somit grundsätzlich denjenigen, der sich auf das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses und seiner Verletzung beruft. Der Richter muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit annehmen können, dass diese Tatsachenbehauptung für wahr zu halten ist.

Daher sind sowohl die zu schützende Information selbst als auch der aus ihr resultierende kommerzielle Wert für das Unternehmen und die ihr dienenden Geheimhaltungsmaßnahmen so konkret wie möglich anhand geeigneter Bescheinigungsmittel aufzuzeigen. Hierzu kommt – wie auch bei der „normalen“ Beweisführung – jedes taugliche Mittel mit Ausnahme der eidlichen Parteienvernehmung in Frage, also Auskunftspersonen, Urkunden, etc.

Was war passiert? Oder: Der treulose Dienstnehmer und die externe Festplatte

Im Anlassfall ging es um einen Dienstnehmer, der sich vor seinem Ausscheiden eine Vielzahl an Daten seiner ehemaligen Dienstgeberin – darunter Kundenlisten, Pläne, Lieferantenkonditionen und unternehmensinterne Passwörter – auf einer externen Festplatte gespeichert oder sich durch E-Mail-Manipulation Zugriff auf diese Daten verschafft hatte.

Ein solches Verhalten würde die ehemalige Dienstgeberin grundsätzlich auf Grundlage der neuen Bestimmungen zum Geschäftsgeheimnisschutz (§§ 26a ff UWG) dazu berechtigen, von ihrem ehemaligen Dienstnehmer Unterlassung, Beseitigung und bei Verschulden Schadenersatz zu fordern. Voraussetzung ist aber, dass es sich bei den unbefugt gespeicherten Informationen um ein Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 26b Abs. 2 UWG handelt.

Ein Geschäftsgeheimnis ist demnach eine Information, die

  • geheim ist (sie ist weder in ihrer Gesamtheit noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen zu tun haben, allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich),
  • von kommerziellem Wert, und
  • Gegenstand von den Umständen entsprechenden angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen ist.

Damit solche Geschäftsgeheimnisse aber nicht gerade im Zuge der Rechtsdurchsetzung vor Gericht unerwünschten Dritten bekannt werden, sieht § 26h UWG folgende Vorgehensweise vor. In jenem Schriftsatz, in dem erstmals das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses und seine Verletzung behauptet wird, muss diese Behauptung nur soweit substanziiert werden, als dass sich daraus das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses und der geltend gemachte Anspruch schlüssig ableiten lassen.

Die ehemalige Dienstgeberin rief daher die Gerichte gegen ihren treulosen Dienstnehmer zu Hilfe und verband mit ihrer Klage einen Antrag auf einstweilige Verfügung. Mit diesem sollte es dem Dienstnehmer vorerst für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens verboten werden, die unerlaubt mitgenommenen Geschäftsgeheimnisse zu nutzen. Zudem sollte ihm aufgetragen werden, die von ihm erstellte externe Festplatte samt den darauf befindlichen Daten und die sonstigen unbefugt erlangten Dateien an die Klägerin herauszugeben oder gerichtlich zu hinterlegen.

Dem Antrag wurde letztlich in allen drei Instanzen nicht stattgegeben, weil die ehemalige Dienstgeberin ihren Antrag nicht ausreichend substanziiert hatte.

Entscheidungsgründe der Gerichte

Alle drei Instanzen waren nämlich der Ansicht, dass die bloße Aufzählung von Gattungsbezeichnungen („Kundenlisten, Pläne, Lieferantenkonditionen sowie unternehmensinterne Passwörter, Lieferantenzugänge etc.“) nicht ausreicht, um tatsächlich beurteilen zu können, ob ein den gesetzlichen Erfordernissen entsprechendes Geschäftsgeheimnis vorliegt. Der OGH gestand ein, dass all diese Informationen grundsätzlich dazu geeignet seien, dem Geschäftsgeheimnisschutz zu unterliegen. Darüber hinaus müsse die Klägerin dem Gericht aber auch die näheren Umstände darlegen, warum ausgerechnet diese Informationen gerade im Unternehmen der Klägerin den Schutz der §§ 26a ff UWG genießen.

Ob dem Unternehmen, das die einstweilige Verfügung beantragt, eine detailliertere Substanziierung ihrer Geschäftsgeheimnisse zumutbar ist, hängt grundsätzlich vom Einzelfall ab. Im Anlassfall war der OGH der Ansicht, dass es der Klägerin jedenfalls zumutbar gewesen wäre. Denn der Beklagte hatte nämlich schon während seines aufrechten Dienstverhältnisses unbeschränkten Zugriff auf sämtliche vermeintlich gestohlene Daten und hat diesen Zugriff wohl auch heute noch. Immerhin wirft ihm die Klägerin ja gerade vor, dass er sich unbefugt dauerhafte Kenntnis von diesen Informationen verschafft habe.

Kritik an OGH-Entscheidung

Grundsätzlich ist dem OGH darin beizupflichten, dass es nicht ausreichend sein kann, im verfahrenseinleitenden Schriftsatz bloß eine Aufzählung von Gattungsbezeichnungen anzuführen. So ist aber gleichzeitig zu befürchten, dass mit dieser Entscheidung sehr hohe Konkretisierungsanforderungen an den Geheimnisinhaber gestellt werden. Diese untergraben letztendlich den vom Gesetzgeber intendierten weiten Geschäftsgeheimnisschutz. Denn gerade dort, wo eine Fülle an Daten abhandengekommen ist, wird es kaum möglich sein, jedes einzelne Geschäftsgeheimnis konkret zu bezeichnen und zu begründen, warum dieses geschützt sein sollte. Der Download einer Fülle von Daten auf einen externen Speicherträger stellt aber gerade den Paradefall des Geschäftsgeheimnisdiebstahls dar. Es sollte vielmehr genügen, im Hinblick auf einen ganzen Satz von Daten darzustellen, warum dieser geheim, von kommerziellem Wert und Gegenstand von angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen ist.