Seit einem Jahr sind die Vorschriften für audiovisuelle Mediendienste nicht mehr nur auf klassisches Fernsehen anwendbar, sondern können auch „Fernseh-“Kanäle in sozialen Netzwerken oder eigenständige Videoplattformen umfassen.[1] Der ausgedehnte Anwendungsbereich ist für Unternehmer aller Branchen, die sich Videokanälen als Werbeplattformen bedienen, nicht unwesentlich, da er weitreichende Rechtsfolgen mit sich führt.
Der europäische Gesetzgeber reagierte dabei auf den Trend der letzten Jahre, dass neben dem klassischen Fernsehen neue Erscheinungsformen „fernsehähnlicher“ Kanäle hinzugekommen sind, auf denen wir verschiedenste Programme entweder konsumieren oder sogar selbst verbreiten. Das Hauptargument für dieses ausgedehnte Begriffsverständnis besteht darin, dass soziale Netzwerke mit der Verbreitung audiovisueller Inhalte zunehmend mit klassischen Medien in den Kampf um Zuschaueranteile und vor allem um Werbeumsätze treten.[2] So hat sich die Zeit, die Kinder online verbringen, seit 2010 nahezu verdoppelt.[3] Daher gewannen auch Influencerinnen und Influencer auf dem Werbemarkt zunehmend an Bedeutung und streifen heute einen erheblichen Teil jener Investitionen ein, die früher an traditionelle audiovisuelle Akteurinnen und Akteure gingen.
Ist der auf einem Unternehmensprofil betriebene Werbekanal ein Mediendienst auf Abruf, ist dieser anzeigepflichtig und führt zu Kennzeichnungs- und Aufzeichnungspflichten sowie zur Leistung eines vom erzielten Jahresumsatz abhängigen Finanzierungsbeitrags an die Regulierungsbehörde.[4] Bei Verletzung dieser Vorschriften drohen die Untersagung des Dienstes und die Verhängung einer Geldstrafe durch die KommAustria. Bei einer Verletzung der Anzeigepflicht können auch Klagen von Mitbewerbern nach dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb drohen.
Doch wann fällt ein Videokanal unter das Regime des AMD-G?
Ein audiovisueller Mediendienst auf Abruf liegt gemäß § 2 Z 3 und 4 AMD-G zusammengefasst dann vor, wenn
- eine Dienstleistung iSd Artikels 56 und 57 AEUV erbracht wird,
- unter der redaktionellen Verantwortung eines Mediendiensteanbieters
- mit dem Hauptzweck
- der allgemeinen Öffentlichkeit
- Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung
- über elektronische Kommunikationsnetze bereitzustellen.
Aus der Spruchpraxis der KommAustria und der Verwaltungsgerichte des letzten Jahres sind die folgenden Schlüsse zu ziehen:
Massenmedialer Charakter
Da vom Sendungsbegriff nunmehr auch kurze Videoclipsmassenmedialen Charakter erfasst sind, hielt der Gesetzgeber übereinstimmend mit Erwägungsgrund 21 der Richtlinie in den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf fest, dass auch weiterhin nicht jegliches (mehr oder minder professionell gestaltetes) audiovisuelles Material im Internet in den Anwendungsbereich des AMD-G fallen soll. Nur solche Erscheinungsformen sollen erfasst sein, die einen aufweisen.[5]
Die Einordnung als audiovisueller Mediendienst auf Abruf erfordert daher nicht, dass die Kurzvideosammlung auf dem Profil eines sozialen Netzwerks mit einem von einem Fernsehveranstalter erstellten kompletten Sendeplan oder Katalog vergleichbar ist, sondern die VideosequenzenForm und dem Inhalt von Fernsehprogrammen selbst müssen mit der vergleichbar sein.
In diesem Sinne entschied die Behörde, dass ein WetterkanalMusikvideos , auf dem ein Livestream mit Panorama-Bildern und aktuellen Wetterinformationen aus Österreich zu sehen ist (KOA 1.950/21-141) oder ein Kanal, der Konzertausschnitte, offizielle und Vlogs über die Band und ihre Mitgliederweist zeigt (KOA 1.950/21-108), einen potentiell massenmedialen Charakter aufweisen, da Wetterkanäle und Musikvideos typische Inhalte von Fernsehsendungen darstellen. Daran würde sich auch dann nichts ändern, wenn die Sendungen auf einer anderen Sprache als Deutsch sind (KOA 1.950/21-021). Auch das Bundesverwaltungsgericht bestätigte bereits, dass das Bereitstellen von rund 300 Videos zu u. a. den Themen Politik, Randsportarten und Kultur, die primär in Form von Interviews erfolgten, mit allgemeinen Fernsehinhalten vergleichbar sei, weswegen ein audiovisueller Mediendienst auf Abruf vorliege.[6]
Hingegen stellt ein Kanal, auf dem ein ComputerspielerProdukte eines Unternehmens das eigene Spielen kommentiert (KOA 1.950/21-136) oder auf dem lediglich die vorgestellt werden (KOA 1.950/21-070), keinen Inhalt dar, der im Wettbewerb zu klassischem Fernsehinhalten steht.
Abgrenzung zur privaten Zurschaustellung
Ausdrücklich vom Anwendungsbereich ausgenommen ist daher die Bereitstellung audiovisueller Inhalte von natürlichen Personen zur Darstellung des persönlichen Lebensbereichs Der rein privat genutzte Video-Kanal auf sozialen Netzwerken fällt somit nicht unter das Regime des AMD-G.kulturelle Institutionen, Schulen und Körperschaften öffentlichen RechtsUnternehmen zur Präsentation der von ihnen hergestellten oder vertriebenen Waren oder der von ihnen angebotenen Dienstleistungen (§ 2a AMD-G). Diese stehen insbesondere im Zusammenhang mit ihrer Freizeitgestaltung oder ihren Hobbies und weisen keinen darüberhinausgehenden Informationsgehalt, der geeignet ist, die öffentliche Meinungsbildung zu beeinflussen, auf. Weitere Ausnahmen bestehen ua für . Ebenso ausgenommen sind die Videokanäle von .
Das Gesetz stellt bei der Abgrenzung zu einer rein privaten Nutzung aber nicht auf Mindestschwellen, wie die Anzahl der Followerinnen und Follower oder die Höhe des Jahresumsatzes der Social Media-Nutzerin oder des Nutzers, ab. Das Gesetz versucht vielmehr anhand der einzelnen Elemente der Definition eines Mediendienstes auf Abruf abzugrenzen, welche Dienste mangels Wettbewerbs mit anderen Massenmedien nicht als Abrufdienste reguliert sein sollen.[7] Es sind somit eine Reihe von weiteren Einzelfallentscheidungen zu erwarten.[8]
Entgeltlichkeit der Dienstleistung
Von zentraler Bedeutung für das Vorliegen eines audiovisuellen Mediendienstes auf Abruf und zur Abgrenzung rein privater Postings ist weiterhin das Begriffselement der Dienstleistungwirtschaftlichen Charakter. Unter einer Dienstleistung im Sinne der Art 56 und 57 AEUV sind Leistungen zu verstehen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass die Leistungen einen in einem weiteren Sinn aufzuweisen haben und dass die Leistung zumindest zu Erwerbszwecken erfolgen muss.[9]
Der Begriff des Entgelts sehr weit Livestreams mit Panorama-Bildern ist insgesamt zu verstehen. Entgeltlichkeit liegt auch dann vor, wenn die Einnahmen der Nutzerin im Vergleich zu den Kosten des Videos unverhältnismäßig niedrig sind oder als Gegenleistung für Videos lediglich freie Eintritte zu Events oder Getränkegutscheine zur Verfügung gestellt werden. Die erzielten Einkünfte müssen demnach nicht einmal kostendeckend sein.[10] Auch das Schalten von (eigener oder fremder) Werbung auf einem Video-Kanal würde allein genügen, um den Entgeltbegriff zu erfüllen.[11] Die Behörde hat in diesem Sinne auch das Betreiben einesund aktuellen Wetterinformationen aus Österreich als eine Dienstleistung iSd Art 56 und 57 AEUV qualifiziert, da die Wetterkameras mit dem Ziel bereitgestellt werden, die Tourismusregionen zu präsentieren bzw. den Tourismus zu fördern (KOA 1.950/21-141).
Weist das Videoangebot keine Formen der kommerziellen Kommunikation auf, wie beispielsweise Pre-Rolls, Bannerwerbung, die Bewerbung eines Onlineshops oder die Nutzung von Affiliate-Links, wird der Kanäle ehrenamtlich betrieben und werden keinerlei Einnahmen erzielt oder Förderungen bezogen, so liegt keine Dienstleistung iSd Art 56 und 57 AEUV vor (KOA 1.950/21-021). Ein Videokanal, der ausschließlich aus persönlichem InteresseWerbeeinnahmen sonstige Entgelte bzw. Gegenleistungen („hobbymäßig“) betrieben wird und der weder (auch nur teilweise) über finanziert wird noch über (etwa über eine “Spendenfinanzierung“ via Patreon und PayPal), ist mangels Teilnahme am Wirtschaftsleben daher nicht als audiovisueller Mediendienst auf Abruf iSd § 2 Z 4 AMD-G zu beurteilen (VwGH 15.10.2021, Ra 2021/03/006).
Ausblick
Eine unbegrenzte Ausdehnung der Anzeigepflicht auf jegliche Videobeiträge auf Social Media-Kanälen ist zwar gemäß den bereits ergangenen Entscheidungen nicht zu erwarten, doch sollten Betreiberinnen von Videokanälen zukünftig aufgrund der weiteren Definition des Sendungsbegriffs aufmerksamer und gewissenhafter prüfen, ob ihr Videoangebot einen anzeigepflichtigen Mediendienst auf Abruf darstellt.
Insbesondere wenn im Rahmen eines Kanals geplante und regelmäßige professionelle Videoclips öffentlich und nach eigener Entscheidung zu einem Themenbereich wie Kultur, Sport oder Nachrichten bereitgestellt werden, muss mit einer Anzeigepflicht gerechnet werden. Um eine Einordnung als anzeigenpflichtiger Mediendienst zu vermeiden kann bspw. beim Inhalt eine Beschränkung auf die Darstellung des eigenen Unternehmen vorgenommen oder diese Videos bloß unregelmäßig zur Verfügung gestellt werden.
1. Richtlinie (EU) 2018/1808 (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste; „Richtlinie“).
2. Vergleiche ErwG 21 der RL: „Für die Zwecke dieser Richtlinie sollte der Begriff der audiovisuellen Mediendienste lediglich die (..) audiovisuellen Mediendienste erfassen, bei denen es sich um Massenmedien handelt, das heißt, die für den Empfang durch einen wesentlichen Teil der Allgemeinheit bestimmt sind und bei dieser eine deutliche Wirkung entfalten könnten.“
3. Bericht der European Regulators Group for Audiovisual Media Services (“ERGA”) zum Workshop “Regulation of Vloggers on Video-Sharing Platforms” 2020, S. 3, abrufbar unter: ERGA-SG1-Report-Vlogger-Workshop-Sept-2020_final_21122020.pdf (erga-online.eu).
4. Die Anzeige des Dienstes hat binnen 2 Monaten nach Aufnahme der Tätigkeit an die KommAustria zu erfolgen (§ 9 Abs 1 AMD-G).
5. 462 der Beilagen XXVII. GP 5.
6. BVwG 17.03.2021, W234 2176934-1.
7. 462 der Beilagen XXVII. GP 3.
8. Dies sieht auch die ERGA so; siehe Rz 4 S 11.
9. Kogler/Traimer/Truppe, Österreichische Rundfunkgesetze4 434.
10; Marlene Leitner, Influencer-Videos im Lichte des AMD-G, ÖJZ 2019/127 mwN.
11. KOA 1.950/19-066; KOA 1.950/21-136.
Social-Media-Cookies sammeln Informationen darüber, wie Sie Inhalte von unserer Website über die sozialen Medien teilen, oder liefern Analysedaten zu Ihrem Nutzungsverhalten, wenn Sie zwischen Social-Media-Plattformen oder unseren Social-Media-Kampagnen und unseren eigenen Websites navigieren. Wir setzen diese Cookies ein, um die Mischung der Kommunikationswege zu optimieren, über die wir Ihnen unsere Inhalte zukommen lassen. Genauere Informationen zu den eingesetzten Tools finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.