Energiewende trifft auf Gesellschaftsrechtsreform: Ist die FlexCo ideal für Energiegemeinschaften?

Österreich
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Von den gesetzlich normierten Modellen für Energiegemeinschaften (EGs) zum Zweck der gemeinsamen Erzeugung, des Verkaufs und Verbrauchs von im Wesentlichen erneuerbarer Energie, sind gemäß Elektrizitätswirtschafts- und Organisationsgesetz 2010 (ElWOG 2010) sowohl die Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft (EEG, lokaler und regionaler Nahbereich) als auch die Bürgerenergiegemeinschaft (BEG, österreichweiter Zusammenschluss) als eigene Rechtsperson, konkret als Verein, Genossenschaft, Kapital- oder Personengesellschaft, zu organisieren. Die Praxis zeigt, dass bisher oft die Genossenschaft als Organisationsform für EGs herangezogen wurde, doch woran liegt das, und was ändert sich durch die Einführung der Flexiblen Kapitalgesellschaft als neue österreichische Rechtsform?

Rückblick – Ein Blick in die Rechtsgrundlagen, insbesondere das Genossenschaftsgesetz (GenG), erklärt diese Entwicklung: Gemäß § 1 Abs 1 GenG liegt die Aufgabe der Genossenschaft in der Förderung ihrer Mitglieder (Genossenschafter); dem folgend liegt der Zweck einer EG gerade in der Energieversorgung ihrer Mitglieder. Die durch den einfachen Ein- und Austritt von Genossenschaftern gewonnene Flexibilität entspricht auch dem Wesen einer EG. Die klassischen österreichischen Kapitalgesellschaftsformen eignen sich dahingegen aufgrund ihres Formalismus und der strengen Kapitalerhaltungsvorschriften nur bedingt als Organisationsform für EGs. Hier könnte also ein Schlussstrich gezogen und die Genossenschaft als Best Practice für die EG bestätigt werden, aber:

Vorhang auf für die FlexCo – Mit 1. Jänner 2024 wurde in Österreich eine neue Form der Kapitalgesellschaft eingeführt. Die Flexible Kapitalgesellschaft, kurz FlexKapG oder FlexCo, die vereinfacht ausgedrückt Elemente der GmbH und der AG vereint, scheint sich insbesondere im Hinblick auf Flexibilität, Transparenz und Kontrolle als Alternative zur Genossenschaft für die Organisation von EGs anzubieten.

Flexibilität: Der Gesellschaftsvertrag der FlexCo kann im Ausmaß bis unter 25 % des Stammkapitals die Ausgabe von Unternehmenswert-Anteilen im Nennbetrag von jeweils mindestens 1 Eurocent vorsehen. Unternehmenswert-Anteilen kommt grundsätzlich kein Stimmrecht in der Generalversammlung zu (siehe unten). Mit ihnen ist beispielsweise auch keine Ausfallhaftung für die Einlageleistung der „regulären“ Gesellschafter oder Nachschusspflicht verbunden (Fragen der Kapitalerhaltung bleiben hingegen bestehen; diese werden in der Praxis zu klären sein). Diese Unternehmenswert-Anteile können unter Einhaltung der Schriftform (handschriftliche Unterschrift, qualifizierte elektronische Signatur) übertragen werden. Weiters ist ein Austritt in einem bestimmten Ausmaß auch durch den Erwerb der Unternehmenswert-Anteile durch die FlexCo selbst möglich. Dies im Gegensatz zur GmbH, die für die Übertragung die Notariatsaktform vorschreibt und eigene Anteile grundsätzlich nicht erwerben darf.

Die bereits aus dem Aktienrecht bekannte Flexibilisierung von Kapitalmaßnahmen, konkret die zeitlich (5 Jahre) und der Höhe nach (bis 50 % des Stammkapitals) beschränkte Ermächtigung der Geschäftsführer zur Ausgabe weiterer Anteile durch ordentliche Kapitalerhöhung (das sogenannte genehmigte Kapital), kann die Aufnahme neuer Mitglieder in die EG erleichtern und ein Argument für die FlexCo als Organisationsform darstellen.

Transparenz: Informations- und Kontrollrechte der Unternehmenswert-Anteile sind stark eingeschränkt. Für die FlexCo kann aber freiwillig und muss bei Erreichen bestimmter Größenkennzahlen des GmbH-Rechts ein Aufsichtsrat bestellt werden. Zusätzlich ist auch dann ein Aufsichtsrat zu bestellen, wenn die FlexCo die Größenmerkmale einer mittelgroßen Gesellschaft gemäß Rechnungslegungsvorschriften erreicht. Diese Erweiterung der Aufsichtsratspflicht wird teilweise als „Poison Pill“ bezeichnet, da der Aufsichtsrat organisatorischen Aufwand bedeutet, den unternehmerischen Handlungsspielraum der Geschäftsführung einschränkt und gegebenenfalls auch mit Vertretern der Arbeitnehmer besetzt werden muss. Allerdings ist ein (gegebenenfalls auch freiwillig bestellter) Aufsichtsrat im Bereich der EGs vorteilhaft: Seine Aufgabe ist es schließlich, die Geschäftsführung auf Rechtmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit zu überwachen. So befriedigt auch die FlexCo die Transparenzbedürfnisse der EG-Teilnehmer.

Kontrolle: Den Unternehmenswert-Beteiligten kommt grundsätzlich kein Stimmrecht zu. Soll jedoch – vereinfacht gesagt – in die Vermögensrechte der Unternehmenswert-Beteiligten (bspw. anteiliger Anspruch auf den Bilanzgewinn) eingegriffen werden, müssen die betroffenen Unternehmenswert-Beteiligten zustimmen. Der Gesellschaftsvertrag kann je nach Ausgestaltung weitere Zustimmungserfordernisse vorsehen. Für EGs eignet sich dieses Regime, da den Mitgliedern der EG auch Zustimmungsrechte für EG‑relevante Maßnahmen eingeräumt werden können (bspw. Anschaffung / Veräußerung von Erzeugungsanlagen oder Änderung des Stromabnehmers für nicht verbrauchten Gemeinschaftsstrom). In der Praxis stehen oft politische Gemeinden an der „Spitze“ von EGs. Hält nun die Gemeinde als (Haupt-)Gesellschafterin einen regulären Geschäftsanteil und die Teilnehmer an der EG einen Unternehmenswert-Anteil, kann die Gemeinde effizient operative Beschlüsse fassen. Bei Beschlussgegenständen, die wesentliche Aspekte der EG betreffen und im Gesellschaftsvertrag der Mitbestimmung der Unternehmenswert-Beteiligten vorbehalten werden (bspw. Erzeugungsanlagen, externe Verträge), sind dann auf Basis der Zustimmungspflicht die Teilnehmer als Unternehmenswert-Beteiligte einzubeziehen.

Fazit Die FlexCo präsentiert sich im Ergebnis als eine valide Alternative zur Genossenschaft. Aufgrund der besonderen Bestimmungen zur FlexCo (insbesondere der Möglichkeit zur Ausgabe von Unternehmenswert-Anteilen und der damit verbundenen Flexibilität) hat die FlexCo das Potenzial, sich als Rechtsträger von EGs zu etablieren. 

Ausblick: Das Energiegemeinschaftsrecht basiert im Wesentlichen auf dem ElWOG 2010, das seit über einem Jahrzehnt die Basis für die österreichische Strommarkt-Liberalisierung bildet. Die Bundesregierung plant nun das ElWOG 2010 mit dem Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) zu ersetzen und damit EU-Recht umzusetzen (Richtlinie (EU) 2019/944), Unklarheiten zu beseitigen sowie Defizite zu verbessern. Ein erster Gesetzesentwurf wurde bereits veröffentlicht und bis 23.02.2024 können Stellungnahmen abgegeben werden. Der Entwurf ist insgesamt positiv zu werten und enthält auch interessante Änderungen des Energiegemeinschaftsrechts.

Unter anderem ermöglicht das ElWG sogenannte „Träger-EEGs“. Damit soll nicht mehr notwendig sein, für jede EEG einen eigenen Rechtsträger zu gründen. Das ElWG normiert, dass ein Rechtsträger als Trägerorganisation mehrerer EEGs agieren darf. Voraussetzung dafür ist, dass sich sämtliche erfassten EEGs im Konzessionsgebiet eines Netzbetreibers und innerhalb eines politischen Bezirks befinden. Unter diesem Gesichtspunkt ist die FlexCo auch als taugliche Alternative zur Genossenschaft hervorzuheben, da gerade bei Konsolidierung mehrerer EEGs unter einer Träger-EEG, die Mitbestimmungsrechte der Teilnehmer der jeweiligen EEG präzise bestimmt werden können.

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