Aktuelle Entwicklungen zum Preisänderungsregime bei Energielieferverträgen nach ElWOG 2010

Österreich
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Hintergrund und Anlass

Die Preisgestaltung und -änderung bei Energielieferverträgen ist seit jeher ein zentrales Thema sowohl für Energieversorger als auch Verbraucher. Mit seiner jüngsten Rechtsprechung trifft der Oberste Gerichtshof (OGH) nunmehr wesentliche Klarstellungen, wonach das Elektrizitätswirtschafts- und organisationsgesetz (ElWOG 2010) kein gesetzliches Preisänderungsrecht für Energieversorger vorsieht, sondern vielmehr die gesetzlichen Anforderungen an die Zulässigkeit von (einseitigen) Preisanpassungsklauseln festlegt.

OGH: Keine einseitigen Preisänderungen ohne vertragliche Grundlage

Der OGH hat in einer aktuellen Entscheidung (8Ob115/24f) die Rechtslage zu Preisanpassungen bei Stromlieferverträgen im Rahmen der Grundversorgung präzisiert. Im konkreten Fall hatte ein Energieversorger die Preise für Bestandskunden im Rahmen der Grundversorgung deutlich erhöht und sich dabei auf die gesetzlichen Bestimmungen des § 80 Abs 2a ElWOG 2010 sowie auf eine entsprechende Klausel in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) berufen. Die AGB des Energieversorgers haben in diesem Zusammenhang auf die Bestimmungen des ElWOG 2010 verwiesen bzw diese zT wörtlich wiedergegeben, jedoch ohne ein konkretes vertragliches Preisänderungsrecht vorzusehen.

Der OGH stellte unter Erwägung der bisher vorliegenden Literatur sowie einschlägiger Judikatur, einschließlich der Rechtsprechung des EuGH, klar, dass § 80 Abs 2a ElWOG 2010 kein gesetzliches Preisänderungsrecht im engeren Sinne normiert. Vielmehr setzt jede Preisanpassung eine wirksame vertragliche Vereinbarung voraus. Die gesetzlichen Vorgaben regeln lediglich die Modalitäten und Voraussetzungen einer zulässigen Preisänderung, schaffen aber keine eigenständige, vom Vertrag losgelöste Änderungsbefugnis des Energieversorgers. Ohne eine hinreichend bestimmte und transparente Preisanpassungsklausel im Vertrag ist eine einseitige Preiserhöhung somit nicht zulässig.

Zudem unterliegen Preisänderungsklauseln auch im Anwendungsbereich des ElWOG 2010 der strengen Inhalts- und Transparenzkontrolle des AGB-Rechts. Der OGH betont, dass Anlass, Voraussetzungen und Umfang möglicher Preisänderungen bereits in der Klausel selbst klar und verständlich geregelt sein müssen. Klauseln, die dem Versorger ein unbeschränktes Änderungsrecht einräumen, sind gröblich benachteiligend und daher nichtig. Die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes in den AGB genügt nicht, um die Anforderungen an Transparenz und Bestimmtheit zu erfüllen.

Literaturüberblick: Kein Sonderprivatrecht – Maßstab bleibt das ABGB

In der Literatur wurde die Frage, ob das ElWOG 2010 ein eigenständiges gesetzliches Preisänderungsrecht der Energieversorger vorsieht, bisher differenziert beurteilt. Bereits nach der bisherigen Rechtsprechung des OGH begründet das ElWOG 2010 kein „Sonderprivatrecht“ für Energieversorger. Der OGH hat nunmehr auch klar festgehalten, dass einseitige Preisänderungen des Energieversorgers einer vertraglichen Grundlage bedürfen, die den Vorgaben des ABGB und – soweit einschlägig – des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG) entsprechen muss. Insbesondere das Transparenzgebot und das Äquivalenzprinzip sind hierzu maßgeblich.

Relevanz für Kleinunternehmer und unternehmensbezogene Geschäfte

Ein wichtiger Aspekt ist, dass die konsumentenschutzrechtlichen Vorgaben des ElWOG 2010 nicht nur für Verbraucher, sondern auch für Kleinunternehmer gelten. Das bedeutet, dass auch bei unternehmensbezogenen Stromlieferverträgen – etwa für kleine Betriebe, Praxen oder Kanzleien – die strengen Anforderungen an Preisänderungsklauseln zu beachten sind. Energieversorger müssen daher auch in B2B-Konstellationen sicherstellen, dass ihre Vertragsklauseln den gesetzlichen Transparenz- und Bestimmtheitsanforderungen genügen.

Praxishinweis und Ausblick

Für Energieversorger empfiehlt es sich dringend, bestehende und neue Vertragsklauseln zu Preisanpassungen einer sorgfältigen rechtlichen Prüfung zu unterziehen und diese klar, transparent und nachvollziehbar zu gestalten. Unwirksame Klauseln können nicht nur zu Rückforderungsansprüchen führen, sondern auch die Kalkulationssicherheit erheblich beeinträchtigen.

Die aktuelle OGH-Entscheidung und die Literatur zeigen: Rechtssicherheit entsteht nur durch eine klare, gesetzeskonforme und transparente Vertragsgestaltung.