Die Reform des europäischen Prospektrechts – wesentliche Änderungen und Praxisauswirkungen

18/07/2017

Die Europäische Kommission plant, die aus dem Jahr 2003 stammende Prospektrichtlinie durch eine überarbeitete Prospektverordnung zu ersetzen und das Prospektrecht in Europa vollständig zu vereinheitlichen. Dadurch werden die bisherigen Regelungen im Wertpapierprospektgesetz
(WpPG) zu einem erheblichen Teil entfallen.

Hintergrund dieser Überarbeitung ist es, eine einheitliche europäische Kapitalmarktunion zu schaffen und den effektiven Binnenmarkt zu stärken. Die Vollharmonisierung soll dazu führen, dass abweichende Regelungen in den Mitgliedstaaten auf ein Minimum reduziert werden.

  • Die Kommission verfolgt mit der Novelle insbesondere vier Ziele:
  • Für Unternehmen soll es leichter werden, sich über den Kapitalmarkt zu finanzieren.
  • Außerdem sollen der bürokratische Aufwand sowie die Kosten für Emittenten verringert werden, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU).
  • Die Anleger sollen bessere und passgenauere Informationen durch den Prospekt erhalten.
  • Das Prospektrecht soll mit anderen Transparenz- und Offenlegungsvorschriften (z. B. der Marktmissbrauchsverordnung) besser verzahnt werden.

Der bisherige Entwurf sieht daher insbesondere weiter gehende Ausnahmen von der Prospektpflicht
sowie Erleichterungen bei der Prospekterstellung vor.

Weiter gehende Ausnahmen von der Prospektpflicht

Zwar wird es weiterhin eine Pflicht zur Erstellung eines Wertpapierprospekts bei einem öffentlichen
Angebot oder der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt geben. Wenn das Emissionsvolumen allerdings weniger als EUR 1 Mio. innerhalb von zwölf Monaten beträgt, entfällt die Prospektpflicht. Bisher lag die Grenze bei EUR 100.000. Zudem kann ein Mitgliedstaat für rein nationale Angebote auch Ausnahmen bis zu EUR 8 Mio. Volumen vorsehen.

Eine weitere wichtige Erleichterung gibt es im Bereich von Kleinstemissionen. Wenn weniger als 20 % des satzungsmäßigen Kapitals innerhalb von zwölf Monaten zum Handel zugelassen werden sollen, entfällt ebenfalls die Pflicht zur Erstellung eines Prospekts. Dies ist eine Verdopplung des bisherigen Schwellenwerts von 10 %.

Erleichterungen bei Sekundäremissionen

Wenn ein Emittent Wertpapiere im regulierten Markt oder an einem KMU-Wachstumsmarkt innerhalb
der letzten 18 Monate ununterbrochen zugelassen hat und diese Wertpapiere die gleiche Gattung besitzen, sieht der Verordnungsentwurf ebenfalls einen vereinfachten Prospekt vor. Dies führt beispielsweise zu Erleichterungen bei der Prospektierung von Kapitalerhöhungen.

Erleichterungen für KMU

Der Entwurf sieht vor, dass kleinere und mittlere Unternehmen sowie Emittenten mit geringer Marktkapitalisierung (weniger als EUR 200 Mio. in den letzten drei Jahren) erleichterten Zugang zum Kapitalmarkt erhalten sollen, sofern sie ihre Aktien nicht an einem organisierten Markt zulassen. Als KMU gelten dabei Unternehmen, die zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen:

  • weniger als durchschnittlich 250 Beschäftigte im letzten Geschäftsjahr
  • Bilanzsumme höchstens EUR 43 Mio.
  • Jahresumsatz höchstens EUR 50 Mio.

Hinsichtlich Form und Inhalt sieht der Entwurf einen standardisierten und kürzeren Prospekt vor. Die Einzelheiten soll die EU-Kommission mittels delegierter Rechtsakte festlegen. Der sogenannte EU-Wachstumsprospekt soll aber signifikant leichter und kostengünstiger sein als ein Standardprospekt.

Einführung eines Allgemeinen Registrierungsformulars

Regelmäßigen Emittenten von Wertpapieren soll die Möglichkeit gegeben werden, ein sog. Allgemeines Registrierungsformular (Universal Registration Document, URD) zu erstellen, das von der Finanzaufsichtin einem beschleunigten Verfahren gebilligt werden kann. Das URD soll nur Angaben zum Emittenten selbst enthalten. Es bildet dann zusammen mit der Wertpapierbeschreibung und der emissionsspezifischen Zusammenfassung den Wertpapierprospekt. Dadurch soll der Emittent die emissionsunabhängigen Prospektteile laufend vorhalten können.

Änderungen beim Standardprospekt

Wichtige Neuerungen beim Standardprospekt betreffen vor allem die Zusammenfassung und dieRisikofaktoren.

Die Zusammenfassung soll kürzer und übersichtlicher werden. Dazu darf sie nur noch in vier Abschnitte eingeteilt werden und maximal sieben DIN-A4-Seiten umfassen. Aktuell liegt die Begrenzung bei 7 % desGesamtinhalts oder maximal 15 Seiten. Der Umfang kann sich etwas erhöhen, wenn der Prospekt eineGarantie enthält oder mehrere Wertpapiere abdeckt.

Weitreichende Änderungen gibt es vor allem auch bei der Gestaltung der Risikofaktoren. Deren Anzahl istin der Zusammenfassung dann auf maximal 15 Faktoren begrenzt. Dies dürfte bei der Prospekterstellung zu Diskussionen bei der Auswahl der infrage kommenden Risikofaktoren führen, vor allem vor dem Hintergrund der nach wie vor nicht europäisch vereinheitlichten Prospekthaftung.

Im Hauptteil des Prospekts müssen die Risikofaktoren inhaltlich kategorisiert und nach Wesentlichkeit angeordnet werden. Die nach der Beurteilung des Emittenten wichtigsten Risikofaktoren (Wahrscheinlichkeit des Eintritts, Auswirkung der Folgen bei Eintritt) müssen zuerst genannt werden.

Ob das Ziel, lesbarere Prospekte zu schaffen, dadurch erreicht wird, scheint zumindest fraglich.

Inkrafttreten

Die reformierte Prospektverordnung tritt voraussichtlich Mitte dieses Jahres in Kraft, ist aber erst zwei Jahre danach anwendbar (voraussichtlich Mitte 2019). Allerdings gelten die erhöhten Schwellenwerte für prospektfreie Emissionen bereits ein Jahr nach dem und die 20%-Ausnahme gilt schon mit dem Inkrafttreten. 