Erste Preissenkungsverfügungen nach der Wiederaufnahme der periodischen Arzneimittelpreisüberprüfungen

Schweiz
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In diesen und den kommenden Tagen und Wochen wird das Schweizer Bundesamt für Gesundheit (BAG) Preissenkungsverfügungen erlassen. Diese stützen sich erstmals auf die revidierten Überprüfungsregeln, wie sie am 1. März 2017 in Kraft getreten sind. Zulassungsinhaberinnen, die mit der Preissenkung nicht einverstanden sind, können Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erheben.

Verschiedene Schweizer Zulassungsinhaberinnen werden in diesen oder den kommenden Tagen und Wochen Post vom BAG erhalten. Darin wird das BAG in vielen Fällen eine Senkung der Arzneimittelpreise per 1. Dezember 2017 verfügen. Potentiell betroffen sind Zulassungsinhaberinnen von Arzneimitteln der Einheit A. Diese Einheit umfasst insbesondere Arzneimittel der therapeutischen Gruppen Gastroenterologika, Stoffwechsel, Antidota und Kationenaustauscher.



Das BAG überprüft sämtliche Arzneimittel, die von der Krankenkasse vergütet werden (d.h. die auf der sog. Spezialitätenliste figurierenden), alle drei Jahre daraufhin, ob sie die entsprechenden Voraussetzungen (Wirksamkeit, Zweckmässigkeit, Wirtschaftlichkeit) noch erfüllen. 2017 wurden resp. werden die Arzneimittel der Einheit A überprüft, 2018 werden diejenigen der Einheit B (u.a. Arzneimittel der therapeutischen Gruppen Nervensystem, Nieren und Wasserhaushalt, Blut, Dermatologika, Odontostomatologika und Diagnostika) und 2019 diejenigen der Einheit C (u.a. Arzneimittel der therapeutischen Gruppen Herz und Kreislauf, Lunge und Atmung, Infektionskrankheiten, Gynaecologika, Ophtalmologika, Oto-Rhinolaryngologika) überprüft werden. Schwerpunkt der Überprüfung bildet jeweils die Wirtschaftlichkeit.



Die Wirtschaftlichkeit eines Originalpräparats wird anhand des sog. Auslandpreisvergleichs (APV) und des sog. therapeutischen Quervergleichs (TQV) überprüft. Beim APV handelt es sich um einen Vergleich mit den Preisen desselben Arzneimittels in bestimmten Referenzländern (derzeit grundsätzlich Deutschland, Dänemark, Grossbritannien, Niederlanden, Frankreich, Österreich, Belgien, Finnland und Schweden). Beim TQV wird mit den Kosten und den Wirksamkeiten von anderen (inländischen und vergütungspflichtigen) Arzneimitteln verglichen. Ergibt die Überprüfung, dass der geltende Preis zu hoch ist, so verfügt das BAG auf den 1. Dezember des Überprüfungsjahres eine Preissenkung.



Bei diesen Verfügungen handelt es sich jeweils um den vorläufigen Abschluss der Preisüberprüfung. Ist eine Zulassungsinhabern mit der Preissenkung nicht einverstanden, hat sie 30 Tage Zeit, die Verfügung beim Bundesverwaltungsgericht anzufechten.



Ob sich eine solche Beschwerde lohnt bzw. inwieweit eine solche erfolgreich ist, hängt von den jeweiligen Umständen ab. Ausschlaggebend ist insbesondere die Art und Weise, wie das BAG die Wirtschaftlichkeitsprüfung vorgenommen hat. Dabei sind auch die Informationen und Daten, welche die Zulassungsinhaberin dem BAG seit Anfang 2017 (insbesondere über die Internet-Applikation) dem BAG zur Verfügung gestellt hat, und die damit verbundene Korrespondenz mit zu berücksichtigen.



Bei der Preisüberprüfungsrunde 2017 ist ausserdem zu beachten, dass sich das BAG erstmals auf die revidierten Überprüfungsregeln (Art. 64a ff. der Verordnung über die Krankenversicherung und Art. 30 ff. der Krankenpflege-Leistungsverordnung) stützt. Diese sind grösstenteils per 1. März 2017 in Kraft getreten und lösen die früheren Regeln ab, die vom Bundesverwaltungsgericht und vom Bundesgericht teilweise als unrechtmässig qualifiziert wurden. Die Revision fand 2016 statt, weshalb damals keine Preisüberprüfungsrunde stattfand.



Im Gegensatz zu den früheren sehen die revidierten Überprüfungsregeln für Originalpräparate beispielsweise vor, dass neben dem APV immer auch ein TQV durchzuführen ist und diesen beiden Vergleichen gleiches Gewicht zukommt. Nach den früheren Regeln wurde der TQV nur ausnahmsweise durchgeführt. War dies der Fall, so wurde der APV zu zwei Dritteln und der TQV zu einem Drittel gewichtet, wobei das Ergebnis i.d.R. den APV um maximal 5 % überschreiten durfte.



Mit der Revision wurde auch die Auswahl der Vergleichsarzneimittel beim TQV geändert. Während nach den früheren Regeln Arzneimittel „gleicher Indikation oder ähnlicher Wirkungsweise“ relevant waren, sind es nunmehr „Arzneimittel, die zur Behandlung derselben Krankheit eingesetzt werden“. Relevant für den TQV sind sodann neu die am 1. Januar des Überprüfungsjahres gültigen Preise, wobei das BAG Änderungen bis zum 1. Juli mitberücksichtigt. Nach den alten Regeln war der 1. September Stichtag. Dies hatte zur Folge, dass zukünftige (Senkungsdatum war ebenfalls der 1. September) und damit u.U. bereits gesenkte Preise in den TQV miteinbezogen wurden.



Bei der Preisüberprüfung von Generika kommen nach den neuen Regeln kleinere Preisabstände zwischen Originalpräparaten und Generika zur Anwendung. Abhängig vom jährlichen (Schweizer) Marktvolumen des Originalpräparats beträgt der Preisabstand zwischen 10 % und 35 % (früher 10 % oder 20 %). Wegen der geringeren Kosten für die Entwicklung im Vergleich zum Originalpräparat werden Generika von den Krankenkassen geringer entschädigt.



Ziel dieser (und weiterer) neuen Bestimmungen ist es, die früheren Mängel zu beheben. Allerdings werfen auch die neuen Regeln bereits wieder Fragen auf, insbesondere hinsichtlich der korrekten Auswahl der Vergleichsarzneimittel und der korrekten Durchführung des Wirksamkeitsvergleichs im Rahmen des TQV. Diesbezüglich kritisch zu hinterfragen sind auch die entsprechenden Ausführungen des BAG in seinem Handbuch betreffend die Spezialitätenliste (Ausgabe vom 1. Mai 2017). In diesem Handbuch hat das BAG die Preisüberprüfungsregeln konkretisiert.



Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass – wie schon in früheren Jahren – eine Reihe von Zulassungsinhaberinnen die Preissenkungsverfügungen anfechten will. Bei der Frage, ob Beschwerde gegen die Preissenkungsverfügung erhoben werden soll, spielen aber nicht nur rechtliche, sondern insbesondere auch wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle. Eine Beschwerde lohnt sich oft auch bei relativ geringen Preissenkungen. Mit in den Entscheid einzubeziehen ist allerdings auch der Umstand, dass das BAG den Namen des von der Beschwerde betroffenen Arzneimittels (über eine öffentlich zugängliche Online-Plattform) veröffentlichen kann. Die Zulassungsinhaberin ist ausserdem verpflichtet, der gemeinsamen Einrichtung die Mehreinnahmen zurückzuerstatten, die sie während der Dauer eines Beschwerdeverfahrens erzielt hat, sofern zwischen dem während des Beschwerdeverfahrens geltenden Preis und dem nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens rechtskräftigen neuen Preis eine Differenz besteht und die Zulassungsinhaberin durch diese Preisdifferenz Mehreinnahmen erzielt hat.