Das Wandeldarlehen - VC-Investments im Lichte von COVID-19

Österreich

Die aktuelle Situation rund um COVID-19 stellt kleine und mittlere Unternehmen (KMUs), insbesondere Start-ups, vor besondere Herausforderungen. Die Beschaffung und Erhaltung von Liquidität ist das Gebot der Stunde. Um das Wachstum und die Entwicklung österreichischer KMUs und Start-ups auch langfristig zu sichern, ist es abgesehen von bestehenden und geplanten Soforthilfe-Maßnahmen wichtig, dass geplante (reguläre) Finanzierungsrunden und Investments weiterhin stattfinden.

War eine verlässliche Bewertung junger Unternehmen und Start-ups anlässlich des Investoreneinstiegs auch bisher mit Schwierigkeiten verbunden, trägt die unsichere wirtschaftliche Lage dazu bei, dass dies vermehrt auch auf etabliertere Unternehmen zutrifft. Die regelmäßig zur Unternehmensbewertung herangezogenen Finanzkennzahlen der letzten Jahresabschlüsse und die bisherige Performance des Unternehmens vor der COVID-19 Krise scheinen mit fortschreitender Dauer der Pandemie zunehmend an Aussagekraft zu verlieren. Ein Lösungsansatz könnte aber bereits gefunden sein: Mit dem ursprünglich aus dem angloamerikanischen Raum stammenden und in Europa zunehmend verbreiteten Wandeldarlehen ist es möglich, dem Unternehmen bereits jetzt Liquidität zur zu Verfügung zu stellen und das Investment erst zu einem späteren Zeitpunkt, etwa im Rahmen einer Kapitalerhöhung nach Abflauen der aktuellen Krise, in eine direkte Beteiligung zu wandeln. Die Frage der (konkreten) Bewertung wird aufgeschoben.

Vor diesem Hintergrund lohnt sich ein näherer Blick auf das Wandeldarlehen. Der nachfolgende Überblick bietet eine erste Orientierung.

Struktur und Ablauf

Im Prinzip handelt es sich bei einem Wandeldarlehen zunächst um Fremdkapital. Der Investor gewährt der Gesellschaft (zB einer GmbH) ein Darlehen; dieses wird in der Regel für eine bestimmte Laufzeit gewährt und (laufend oder endfällig) verzinst. Die Besonderheit des Wandeldarlehens liegt darin, dass der Investor die Darlehenssumme unter vordefinierten Bedingungen in einen Geschäftsanteil an der Gesellschaft wandeln kann oder muss. Wird das Darlehen nicht gewandelt, ist es am Ende der Laufzeit zurückzuzahlen.



Der Ablauf und die Voraussetzungen der Wandlung richten sich nach der Vereinbarung zwischen den Parteien (dem Investor, der Gesellschaft sowie den Gesellschaftern) und können im Grunde flexibel gestaltet werden. Die Wandlung wird in der Regel im Rahmen einer Kapitalerhöhung durchgeführt. Der Investor wird zur Zeichnung eines neuen Geschäftsanteils an der Gesellschaft gegen Zahlung des Nominalbetrags zugelassen. Die Aufzahlung auf den Wert des Geschäftsanteils wird mit einem Verzicht auf die Darlehensrückzahlung durch den Investor geleistet. Das konkrete Ausmaß der Beteiligung wird auf Basis der vereinbarten Bewertungskriterien und der Höhe des Darlehens (samt Zinsen) zum Zeitpunkt der Wandlung festgelegt.



In der Praxis wird zwischen dem Wandlungsrecht und der Wandlungspflicht unterschieden. Das Wandlungsrecht gewährt dem Investor das Recht die Wandlung des Darlehens zu verlangen; bei der Wandlungspflicht muss der Investor das Wandeldarlehen in einen Geschäftsanteil am Unternehmen wandeln. Erfahrungsgemäß werden oft auch (abgestufte) Kombinationen aus dem Recht und der Pflicht zur Wandlung vereinbart. Die Vereinbarung bestimmter Zeiträume, Zeitpunkte oder Fristen, zu welchen die Wandlung stattfinden kann oder muss, ermöglichen Planungssicherheit. Darüber hinaus kann ein Wandlungsrecht oder eine -pflicht auch vom Eintritt zuvor definierter Ereignisse, sogenannter Trigger Events, abhängig gemacht werden. Als Trigger Event kommen etwa das Erreichen bestimmter Finanzkennzahlen durch die Gesellschaft, ein Exit der Gründer oder, praktisch häufig, die Durchführung einer (qualifizierten) Finanzierungsrunde mit weiteren Investoren in Frage.



Vereinbarungen über die Übertragung bestehender oder die Zeichnung neuer GmbH-Geschäftsanteile, darunter auch Wandeldarlehen, unterliegen der Formpflicht und sind als Notariatsakt abzuschließen. Auf die im Lichte von COVID-19 kürzlich eingeführten Erleichterungen durch elektronische Notariatsakte sei hingewiesen.


Ausmaß der Wandlung/Bewertung

Die Wandlung ist das zentrale Element des Wandeldarlehens. Beim Ausmaß des im Rahmen der Wandlung zu übernehmenden Geschäftsanteils an der Gesellschaft sind langfristige strategische Überlegungen besonders wichtig; die Wandlung führt schließlich dazu, dass der Investor als langfristiger Partner in den Kreis der Gesellschafter aufgenommen wird und so unmittelbaren Einfluss auf die Gesellschaft und die Unternehmensführung erhält.



Der der Wandlung zugrunde gelegte Unternehmenswert wird nach Eintritt eines Trigger Events oft bereits vorgegeben, etwa bei einer Finanzierungsrunde oder einem Exit. Soll das Wandeldarlehen unabhängig von einem Trigger Event gewandelt werden, kann die Bewertung zum Wandlungszeitpunkt einvernehmlich zwischen den Parteien verhandelt bzw festgelegt werden. Ist eine Einigung nicht möglich, kommt die Einholung eines (verbindlichen) Gutachtens über die Unternehmensbewertung in Betracht.



Für die der Wandlung zugrunde gelegte Bewertung wird häufig eine bestimmte Bandbreite definiert. Mit einem "Cap" wird eine Maximalbewertung vereinbart. Ein "Floor" bezeichnet eine von den Parteien vereinbarte Mindestbewertung. Ein "Discount" gewährt dem Investor einen prozentuellen Abschlag, etwa zur Risikoabgeltung. Der Darlehensgeber erhält den Geschäftsanteil in diesem Fall zu günstigeren Konditionen im Vergleich zur tatsächlich festgestellten Bewertung.


Mitbestimmung und Einflussrechte

Mit Abschluss des Wandeldarlehensvertrags werden dem Investor meist bestimmte Einsichts- und Informationsrechte gewährt. Diese sollen dem Investor ermöglichen, die weitere Entwicklung der Gesellschaft zu beobachten und Vorkehrungen im Hinblick auf die Wandlung zu treffen. Vereinzelt können dem Investor auch weitere Rechte, etwa Zustimmungsrechte zu Geschäftsführungsmaßnahmen, eingeräumt werden.



Mit der Begebung des Wandeldarlehens wird der Investor aber nicht zum Gesellschafter, sondern ist zunächst Gläubiger der Gesellschaft. Aufgrund der Wandlungsmöglichkeit wird der Investor jedoch absehbar in den Kreis der Gesellschafter aufgenommen und erhält dann auch entsprechende Gesellschafterrechte. Erfahrungsgemäß ist es daher wesentlich, dass sich die Parteien bereits bei Abschluss des Wandeldarlehensvertrags konkrete Gedanken über die künftige Zusammenarbeit machen.



Die künftigen gesellschaftsrechtlichen Beziehungen zwischen den Gesellschaftern, etwa Zustimmungs- und Mitwirkungsrechte, Informationsrechte oder Rechte betreffend die Geschäftsanteile (zB Übertragungsbeschränkungen oder gegenseitige Vorkaufs- oder Aufgriffsrechte), sollten zumindest in Grundzügen bereits im Wandeldarlehensvertrag vereinbart werden. Erfolgt die Wandlung im Rahmen einer Finanzierungsrunde, können diese auch an das Ergebnis dieser Finanzierungsrunde geknüpft werden. Der Investor des Wandeldarlehens würde in diesem Fall dieselben Rechte und Pflichten wie die weiteren Investoren der Finanzierungsrunde erhalten. Zu beachten ist, dass Zugeständnisse an den Investor des Wandeldarlehens für Finanzierungsrunden präjudiziell wirken können und spätere Investoren in der Regel zumindest gleichwertige Rechte fordern werden – ein strategischer Balanceakt, der sorgfältig abzuwiegen ist.


Insolvenzrisiko

Beim Wandeldarlehen handelt es sich bis zum Zeitpunkt der Wandlung um Fremdkapital. Naturgemäß ist die Begebung eines Wandeldarlehens nicht nur für das Unternehmen, sondern auch für den Investor mit Risiken verbunden. Im Verhältnis zu Drittgläubigern enthält der Wandeldarlehensvertrag üblicherweise eine qualifizierte Nachrangigkeitsklausel. Die Darlehensgewährung stellt bei qualifizierter Nachrangigkeit nach der Einschätzung der FMA (weitgehend) gesichert keine bankkonzessionspflichtige Tätigkeit dar. Wird das Darlehen qualifiziert nachrangig gewährt, findet es darüber hinaus auch keine Berücksichtigung bei der Ermittlung der rechnerischen Überschuldung der Gesellschaft. Im Fall der Insolvenz der Gesellschaft gehen Drittgläubiger somit vor und wird kann diese voraussichtlich zum gänzlichen Verlust des Wandeldarlehens führen.


Fazit

Zusammenfassend kann ein Wandeldarlehen eine mögliche Chance bieten, krisenbedingt verschobene Finanzierungsrunden zu überbrücken und Unternehmen die dringend benötigte Liquidität und den Rückhalt der Investoren zu sichern. Einige wesentliche Unterschiede zur (sofortigen) direkten Unternehmensbeteiligung können wie folgt zusammengefasst werden:

Vorteile für Investoren Nachteile für Investoren
  • Flexible Gestaltung und Umsetzbarkeit
  • Aufschiebung der (konkreten) Bewertung möglich
  • Die Rückzahlung des Wandeldarlehens ist uU. möglich
  • Verzinsung und ggf. Risikoabgeltung
  • Keine direkte Gesellschafterstellung (bis zur Wandlung)
  • Beschränkte Einfluss- und Kontrollrechte (bis zur Wandung)
  • Unischere Entwicklung der Bewertung
  • Hohes Risiko (Nachrangigkeit)
  • Formpflicht
Vorteile für das Unternehmen Nachteile für das Unternehmen
  • Flexible Gestaltung und Umsetzbarkeit
  • Aufschiebung der (konkreten) Bewertung möglich
  • Nutzung als Brückenfinanzierung und rasche Liquidität
  • Keine Berücksichtigung bei der rechnerischen Überschuldung (Nachrangigkeit)
  • Kein direktes Engagement des Investors (bis zur Wandlung)
  • Verzinsung und ggf. Risikoabgeltung
  • Unischere Entwicklung der Bewertung
  • Festlegen der Gesellschafterrechte im Grundsatz bereits vorab erforderlich und Maßgeblichkeit für Finanzierungsrunden
  • Formpflicht

Trotz der weitgehenden Gestaltungsfreiheit im Hinblick auf den Wandeldarlehensvertrag, sind eine Abwägung der Vor- und Nachteile sowie eine sorgfältige Planung und Abstimmung unerlässlich!